Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
der möglichen Anrufer auf einen einzugrenzen.
»Ja«, sagte ich und gab mein Bestes, um klar und deutlich zu sprechen.
»Gib dir keine Mühe«, sagte Bailey. »Ich weiß, dass ich dich geweckt habe. Falls du hier sein möchtest, wenn ich den Namen ins System eingebe, dann beweg deinen Hintern.«
»Jetzt mach mal halblang«, grummelte ich. »In ein paar Minuten wäre ich schon …«
Der Signalton in der Leitung verriet mir, dass ich meinen Satz gar nicht beenden musste. Ich sah hinaus. Es war sonnig, aber ich beschloss, lieber ein paar Schichten übereinander anzuziehen. Vermutlich würde ich nicht lange draußen herumlaufen, und ins Büro musste ich sowieso, um Eric von unseren jüngsten Erfolgen in Kenntnis zu setzen. Dort musste ich in jedem Fall etwas »Richtiges« tragen, und so zog ich eine Wollhose an, dazu Schuhe mit hohen Absätzen, eine weiße Bluse und einen schwarzen Wollblazer.
Im Hochgefühl, unser Opfer identifiziert zu haben, war ich optimistisch gewesen, den Fall behalten zu dürfen. Jetzt war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher. Wenn Hemet wild entschlossen war, Ärger zu machen, würde die Tatsache, dass ich dem Gesicht einen Namen verpasst hatte, möglicherweise nicht die erhoffte Wirkung erzielen.
Ich war geneigt, auf Make-up zu verzichten, besann mich dann aber eines Besseren. Vielleicht würde ich ja Graden über den Weg laufen. Ich hasste mich selbst dafür, dass mir das wichtig war, nahm mir aber trotzdem ein paar Minuten, um Rouge aufzulegen und Eyeliner und Wimperntusche aufzutragen. Lippenstift konnte ich gleich vergessen – wenn ich mir auf dem Weg einen Kaffee besorgte, wäre er schon wieder verschwunden, bevor ich auch nur Baileys Schreibtisch erreicht hätte. Ich zog einen Mantel an, steckte die .22 Beretta in die Tasche und schnappte mir im letzten Moment noch einen Kaschmirschal. Im Eilschritt begab ich mich zum Polizeigebäude, hielt nur an, um mir an einem Churro-Stand einen Kaffee zu holen, und sprang auf den letzten Drücker in einen Fahrstuhl, der einladend offen stand.
25
B ei dem strammen Marsch war mir warm geworden, und so nahm ich auf dem Weg zu Baileys Schreibtisch schon einmal den Schal ab. Im Raum war es vergleichsweise ruhig. Nur ein paar Polizisten saßen in Hemdsärmeln da und telefonierten.
»Leg los«, sagte ich, als ich zu Bailey trat.
»Hier.« Sie zog einen Stuhl heran. »Setz dich erst mal.«
Während ich Platz nahm, knöpfte ich meinen Mantel auf. Bailey dehnte ihre Finger und begann dann zu tippen. Es dauerte nicht länger als fünf Sekunden, bis sich der Bildschirm mit Listen füllte. Sie pfiff leise, dann runzelte sie die Stirn.
»Na so was, warte mal«, sagte sie, um schließlich ganz zu verstummen. In den nächsten Minuten klickte und scrollte sie schweigend.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.
»Was ist denn?«, fragte ich aufgeregt. »Was ist denn?«
Bailey hielt nur eine Hand hoch und starrte weiter auf den Bildschirm. Von meinem Platz aus konnte ich nichts sehen, und so war ich schon drauf und dran, sie wegzuschubsen.
»Entschuldigung«, sagte sie irgendwann. »Hier.« Sie drehte den Bildschirm in meine Richtung, klickte auf einen Link und öffnete einen Artikel.
Ich las die Schlagzeile: »Bruder des ermordeten Polizisten bringt den Fall vor das Bundesgericht.«
Was zum Teufel …?
Ich las weiter:
»Simon Bayer, der Bruder des in Glendale ermordeten Polizeibeamten Zack Bayer, hat die Absicht bekundet, den Fall um den Mord an seinem Bruder vor das Bundesgericht zu bringen. Eine Jury hatte die Ehefrau des Opfers, Lilah Bayer, in dem Prozess vor zwei Monaten freigesprochen. Der Sprecher der Jury hatte bekräftigt, dass die meisten Jurymitglieder von der Unschuld der Frau überzeugt waren: ›Unsere Meinung lautet nicht, dass sie es zwar getan hat, man es ihr aber nicht nachweisen kann. Wir denken vielmehr, dass sie tatsächlich vollkommen unschuldig ist.‹ Simon Bayer ist entschieden anderer Meinung. ›Diese Jury ist vollkommen verblendet‹, wütete er. ›Sie ist einem hübschen Gesicht und einem aalglatten Verteidiger auf den Leim gegangen. Ich werde nicht ruhen, bevor meinem Bruder nicht Gerechtigkeit widerfahren ist.‹«
Der Artikel war noch nicht zu Ende, aber Bailey unterbrach mich. »Wenn ich mich recht entsinne, war Zack Bayer einer der angehenden Stars bei der Polizei. Er war mit einer Schönheit verheiratet, einer Juniorpartnerin in einer dieser Top-Kanzleien. Zacks Leiche wurde im Untergeschoss seines Hauses
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