Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
Aussicht von seinem Ein-Raum-Wohnwagen übertraf bei Weitem die der viele Millionen schweren Anwesen, die sich an der Küste aneinanderreihten. Seit er sich mit achtundfünfzig hatte pensionieren lassen, war er einer der ältesten Surfer der Gegend und vermutlich der glücklichste. Im Dezember war es zu kalt, um draußen zu sitzen und Delphine zu beobachten, aber wir konnten das Meer auch vom Wohnzimmer aus sehen. Die Aussicht und die Seeluft hatten etwas derart Entspannendes, dass ich ihn schon fragen wollte, ob ich ein paar Monate auf seinem Sofa schlafen könnte.
Rick hatte sich mit seinen Teva-Sandalen, dem löchrigen T-Shirt und einer verwaschenen, ausgebeulten Jeans seiner Umgebung in einer Weise angepasst, dass niemand auf die Idee kommen würde, ihn für einen gestandenen Ermittler zu halten – es sei denn, man sah ihm direkt in die Augen. Darin spiegelte sich noch die Skepsis eines Mannes, dem von zu vielen Leuten zu viele Lügen aufgetischt worden waren.Und nur wenige dieser Leute hatten in Handschellen gesteckt.
Die erste halbe Stunde verbrachten wir damit, über die Indizien zu sprechen, um sicherzugehen, dass wir bei unserem Gespräch mit Larry nichts übersehen hatten. Ich schloss mit einer Frage zu dem Bekennerschreiben, das im Gefängnis von PEN1-Mitgliedern verfasst worden war.
»Haben Sie zufällig den Zettel, der damals unter diesen Skinheads kursierte?«, erkundigte ich mich.
»Ich habe eine Kopie«, antwortete Rick. Er blätterte in dem Ordner auf seinem Schoß, reichte uns eine Seite in einer Klarsichthülle, und wir lasen.
PEN1 Ruehls! Wir haben das Schwein in seinem eigenen Koben geschnappt. Diese NLR-Wichser sollen sich nicht einbilden, die Sache für sich reklamieren zu können!
NLR war die Konkurrenz, die Nazi Lowriders.
»Zwei Rabauken, die auf den Putz hauen«, sagte ich.
Rick nickte. »So haben wir das auch gesehen.«
»Sie haben sicher auch Einblick in Zacks Lebensversicherung genommen, oder?«, fragte ich ihn.
»Klar«, sagte er und senkte einen Moment lang den Kopf. Als er sich wieder umdrehte, war sein Kiefer ruhig, aber in seinen Augen lag ein schmerzlicher Ausdruck. »Sein Bruder Simon war als Begünstigter eingetragen.«
»Tatsächlich?«, fragte Bailey.
Das war ungewöhnlich. In praktisch hundert Prozent der Fälle wurden Ehefrauen und Kinder begünstigt. Die Tatsache, dass Zack nicht Lilah angegeben hatte, war mehr als sonderbar. Und auch problematisch: ein Mordmotiv weniger für Lilah.
»Und was ist mit dem Haus?«, fragte ich. »An wen ging das?«
»An seine Eltern«, sagte Rick. »Das ist aber schon weniger verwunderlich, da sie es den beiden geschenkt hatten.«
»Haben Sie sich eigentlich mit den Fällen beschäftigt, die Lilah betreut hat? Oder mit ihren Mandanten?«, fragte ich.
»Sie meinen, Lilah könnte Zack wegen der Aussicht auf eine gute Partie in besseren Kreisen umgebracht haben?«
»Oder einer ihrer Mandanten könnte den Mord für sie arrangiert haben.«
Rick schüttelte den Kopf. »Nach so etwas habe ich auch gesucht. Da sie aber erst Juniorpartnerin war, hatte sie kaum Kontakt zu Mandanten.« Rick rutschte auf seinem Stuhl herum. »Was natürlich nicht heißen soll, dass die Kanzlei sie nicht hin und wieder ins Rennen geschickt hat, um das Geschäft zu versüßen.«
»Das würde ja schon reichen, um eine ›gute Partie‹ kennenzulernen, für die sich selbst ein Mord lohnen würde.«
»Diese Theorie hat nur drei Haken«, erklärte Rick und streckte drei Finger aus. »Erstens«, sagte er und tippte auf den ersten Finger, »war das Spielfeld zu groß. Die Partner haben sie in Sitzungen mit mindestens fünfzig Mandanten geschickt. Zweitens«, sagte er und tippte auf den zweiten Finger, »hat keiner dieser Mandaten zugegeben, sich auch außerhalb des Sitzungssaals mit ihr getroffen zu haben. Drittens habe ich keinerlei Beweise dafür, dass einer von ihnen gelogen hat.«
»Ein paar werden Sie aber zumindest ausgeschlossen haben, oder?«, fragte ich.
»Ich hab’s versucht.« Rick zuckte mit den Achseln. »Das hatte aber eher mit Spekulationen zu tun als mit harten Beweisen. Zum Beispiel habe ich die weiblichen Mandanten ausgeschlossen …«
Ich wollte etwas einwenden, doch er hob sofort die Hand.
»Sie haben vollkommen recht«, sagte er mit einem feinen Lächeln. »Das sind pure Vorurteile, die sich als falsch erweisen könnten. Lilah könnte bereit gewesen sein, solchen Neigungen entgegenzukommen. Oder sie könnte solche Neigungen
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