Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
an Sie heranzumachen?«, fragte ich.
Lilah wäre nicht die erste schöne Frau, die versuchen würde, einen Ermittler zu bezirzen. Und wenn sie es getan hätte, wäre ein gewiefter Profi wie Rick natürlich doppelt misstrauisch geworden.
»Nicht im Mindesten«, antwortete Rick.
»Hatte sie während des Prozesses irgendeine Unterstützung aus dem Publikum?«, fragte ich.
»Keine Freunde oder Mitarbeiter«, antwortete Rick. »Nur ihre Eltern. Haben Sie mit denen geredet?«
Die Eltern von Angeklagten waren meist keine kooperativen Zeugen. Und hatte man es mit feindseligen Zeugen zu tun, war es besser, man sammelte ein paar Informationen, bevor man mit ihnen sprach. Wenn sie dann zu lügen versuchten, hatte man den Vorteil, dass man sie dabei ertappen konnte. Im besten Fall brachte es sie dazu, die Wahrheit zu sagen – wenigstens ansatzweise.
»Aber sie haben beim Prozess nicht ausgesagt?«, fragte ich.
»Mussten sie nicht«, antwortete Rick. »Sie konnten ihr sowieso kein Alibi verschaffen, und der Anwalt wusste genau, dass er mit der Skinheadgeschichte ein echtes Ass im Ärmel hatte.«
»Haben sie denn zu ihr gehalten?«, fragte Bailey.
»Daddy sicher«, sagte Rick. »Der ist nie auch nur eine Sekunde davon ausgegangen, dass sie schuldig sein könnte. Bei der Mutter wusste ich nie so genau, was sie dachte.« Rick schüttelte den Kopf. »Pam war ein harter Brocken. Ich muss zugeben, dass ich noch nie eine Mutter erlebt habe, die so über ihre Tochter redet. Diese Eiseskälte muss in der Familie liegen.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
»Nun …« Rick zögerte und starrte eine Weile aufs Meer hinaus. »Vielleicht war es Eifersucht«, sagte er schließlich. »Haben Sie Fotos von Lilah gesehen?«
Ich nickte.
»Allerdings hatte ich das Gefühl, dass es um mehr ging als bloß ums Aussehen«, sagte Rick nachdenklich. »Pamela wirkte auf mich nicht wie eine Frau, die gerne Mutter war. Sie schien da eher reingerutscht zu sein. Und Lilah war Anwältin mit der Aussicht auf die ganz große Karriere. Sie führte das Leben, das Pam sich immer gewünscht hatte, aber nie auch nur annähernd verwirklichen konnte.«
In den Sechzigerjahren waren die Frauen aus ihrer Hausfrauenrolle ausgebrochen, hatten sich aber nie träumen lassen, dass die glänzenden Versprechungen dieser ikonoklastischen Zeit sie in ebenso perfide Rollenklischees pressen würden. Statt dass die Gesellschaft nämlich akzeptierte, dass eine Frau auch ohne die durchschnittlichen 2,3 Kinder auskommen konnte, galt es nun als ausgemacht, dass eine Karrierefrau das alles miteinander vereinbaren konnte und auch sollte: Kinder großziehen, einen Haushalt führen und sich beruflich verwirklichen. Verlockend war das nicht, und wenn eine Frau zuerst ein Kind bekam, dann ließen die Anforderungen der jungen Familie nur wenig Zeit – oder Energie – für Karriereambitionen. Andererseits erwarb man sich nicht viele Sympathien, wenn man nicht das Haus verließ und einen Beruf ergriff, egal wie schwierig das sein mochte. Eine Frau wie Pam musste sich also nicht nur in ihren Ambitionen gebremst fühlen, sondern wurde auch noch dafür kritisiert, dass sie nichts aus sich machte. Ich konnte gut nachvollziehen, dass man unter solchen Umständen frustriert und eifersüchtig war.
Plötzlich schaute Rick auf seine winzige Küche. »Verdammt, ich bin ein lausiger Gastgeber. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Heißen Tee? Eistee? Wasser?«
»Nein danke«, sagte ich. »Bailey?«
»Für mich auch nicht«, antwortete sie. »Haben Sie irgendetwas Besonderes im Umgang zwischen Lilah und ihrer Mutter beobachtet?«
»Nur eine Kleinigkeit«, sagte Rick langsam. »Pams Tonfall, wenn sie über Lilah sprach. Es klang immer irgendwie negativ und … abfällig. Selbst wenn sie was Nettes sagte, schien etwas Hinterhältiges mitzuschwingen.«
»Haben die Eltern denn mit Ihnen geredet?«, fragte ich.
»Wir hatten Lilah noch gar nicht verhaftet, daher waren die Eltern einigermaßen kooperativ«, antwortete Rick. »Ich habe sie zum Beispiel gefragt, wieso Lilah überhaupt von der Kanzlei zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden sei. Sie hatte gute Abschlussnoten, immer mit Auszeichnung, aber sie hat an einer gewöhnlichen Law School studiert, und ich wusste, dass ihre Kanzlei nur Absolventen der Eliteuniversitäten nimmt. Die Mutter antwortete auf meine Frage, dass Lilah immer bekomme, was sie wolle. Im Prinzip war das als Kompliment gemeint, aber wie sie es gesagt hat …«
Ich
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