Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
sollten, und stellte mich innerlich auf die Explosion ein. Er nickte knapp, machte auf den Hacken kehrt und strebte in wütenden Schritten dem Ausgang zu. Obwohl ich näher an der Tür gestanden hatte, war er um einiges schneller draußen.
Auf dem Flur ging ich zu ihm, um mich vorzustellen. »Hallo, ich bin Rachel Knight und werde diesen Fall wohl übernehmen …«
Bevor der Mann etwas sagen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit von irgendetwas hinter meiner linken Schulter abgelenkt. »Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte er und marschierte an mir vorbei.
Ich drehte mich um, und wen sah ich da? Brandon, der aus der Snackbar geschlendert kam und in der Hand – was sonst? – einen zimtbestäubten Latte macchiato hielt.
Stoner schoss auf ihn zu wie eine Infrarot-Rakete. »Wieso zum Teufel haben Sie mich nicht einbestellt?«
Brandon erbleichte, war aber nicht klug genug, um den Rückzug anzutreten. Genau eine Sekunde brauchte er, um die Sprache wiederzufinden. »Hab ich doch. Ich habe Ihnen den Bescheid zukommen lassen, nur dass Sie ihn leider nicht abgeholt haben. Das haben Sie selbst vermasselt, Stoner, versuchen Sie also nicht, mir die Verantwortung in die Schuhe zu schieben.«
»Sie haben mir nie etwas zukommen lassen, Sie mieser Dreckskerl, und das kann ich auch beweisen! Im Einbestellungsverzeichnis taucht nichts dergleichen auf.«
»Ach ja? Und wer kontrolliert dieses Verzeichnis?«, fragte Brandon in dem knarrenden Tonfall, der vermutlich schon im Kindergarten seine Mitmenschen zur Weißglut getrieben hatte. »Logo, das macht ihr Jungs doch selbst.«
Jeder Mensch hatte seine Grenzen, und Brandon hatte die von Stoner soeben überschritten.
In der rechten Faust des Polizisten ballte sich eine Kraft zusammen, die Brandon in sein nächstes Leben katapultiert hätte, wenn er nicht gerade noch rechtzeitig ausgewichen wäre, sodass der Schlag nur seine linke Schulter streifte. Es saß aber immer noch genug Wucht dahinter, dass er mitsamt seinem Latte macchiato ins Taumeln geriet. Stoner wiederum hatte so viel Schwung, dass er selbst zu Boden ging und seinen Gegner mitriss, was er gleich zum Anlass nahm, ihm einen kräftigen Hieb in die Nieren zu verpassen.
Brandon brachte ein ersticktes »Hilfe!« hervor.
Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht stark genug gewesen, um dazwischenzugehen. Außerdem war es mir ganz recht, untätig zusehen zu müssen, wie Averill bekam, was er verdiente. Allerdings waren da auch noch über zwanzig Polizisten, die mehr als fähig gewesen wären, die Sache zu beenden, und auch die gaben Stoner eine gute Minute, bevor sie eingriffen. Ich nahm mir vor, ihre Namen in Erfahrung zu bringen und ihnen allen persönlich eine Dankeskarte zu schicken.
Es brauchte drei Mann, um Stoner von dem Staatsanwalt wegzureißen. Als sie Brandon, dem der Latte macchiato vom Anzug troff, auf die Füße halfen, konnte er sich kaum aufrichten. Das hinderte ihn aber nicht daran, gleich wieder loszulegen. Die eine Hand in die Seite gepresst, die andere gegen die Wand gestützt polterte er: »Verhaften Sie dieses Arschloch, und zwar sofort! Er hat mich tätlich angegriffen! Sie alle sind Zeugen!«
Verblüfft sahen wir uns an. Niemand rührte sich. Stoner musterte Brandon mit einem verhangenen Blick und klappte dann, die Coolness in Person, sein Handy auf und rief den Rettungsdienst an.
Nachdem man Brandon abtransportiert hatte, um auszuschließen, dass er größere Schäden davongetragen hatte, wandte ich mich an Stoner.
»Wollen wir es noch einmal versuchen?«, fragte ich und streckte die Hand aus. »Mein Name ist Rachel Knight.«
»Stoner«, sagte er und schüttelte sie kräftig.
»Kein Vorname?«
»Keiner, den ich Ihnen zumuten möchte«, antwortete er schlicht.
»Mir soll’s recht sein.«
»Und Sie wollen wirklich erneut Klage einreichen?«, fragte er, während er sein Sportsakko glattstrich und seine Krawatte zurechtzupfte.
Ich zögerte. Allmählich setzte der klare Menschenverstand wieder ein. »Würden Sie denn sagen, es ist die Sache wert?«
»Wir haben Blut am Ärmel des Angeklagten gefunden«, antwortete er. »Laborergebnisse haben wir noch keine, aber bislang sieht es gut aus.«
Man hatte also offenbar genug, um vorerst an dem Fall dranzubleiben. Eine wichtige Frage hatte ich allerdings noch, bevor ich ins kalte Wasser springen würde.
»Was ist mit dem Teppichmesser? Denken Sie, unser Opfer wollte jemanden beklauen?«
Stoner zuckte mit den Achseln. »Möglich. Sie wissen
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