Toedlicher Blick
ja,
Anderson …
«
Sie verbrachten den Rest des Abends damit, über gemeinsame Freunde und Bekannte zu klatschen. Cheryl Capslock fragte Weather, ob sie schon eine Entscheidung hinsichtlich der Kinder getroffen hätten und wann sie heiraten würden, wenn denn überhaupt. »Wir haben noch kein Hochzeitsdatum festgelegt«, antwortete Weather. »Wir arbeiten noch daran. Und gleichzeitig arbeiten wir am Kinderkriegen.«
»Viel Glück«, sagte Sloan. »Lass mich mal rechnen, Lucas – du bist ungefähr, hmm, vierundneunzig, wenn das Kind die High-School abschließt …«
Nach den lockeren Gesprächen am Abend quälten Lucas in der Nacht keine sorgenvollen Gedanken; sie stellten sich erst am Morgen ein. Weather war bereits gegangen, und er stand unter der Dusche.
Sloans Witz über Lucas’ Alter hatte Weather vielleicht ein wenig irritiert, vor allem, weil sie nicht
so
viel jünger als er war. Ja, da war dieser Gedanke an das Altern, und da war die Tatsache, dass alle gestern Abend Anwesenden langsam, aber sicher graue Haare bekamen – und dass sie sich Sorgen über ihren Cholesterinspiegel und über nach innen gerichtete Ejakulationen machten …
Er grinste den Duschkopf an, dachte an die Lapovorin-Diskussion – und dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Hammerschlag.
»Heilige Scheiße«, sagte er laut. Er trat aus dem Wasserstrahl und sah hinunter auf seine Füße. Weather hatte gesagt, die Einnahme dieses Medikaments gegen Haarausfall könnte zu diesen Nebenwirkungen führen.
Der Mann hatte
dieses
Medikament eingenommen, hatte also eine Glatze, stand zumindest kurz davor. Er sah nicht aus wie der »Schakal«-Schauspieler – der schien fast nur aus Zähnen und Augen und Haaren zu bestehen. Wenn man sich aber das Haar wegdachte …
Und Lucas hatte gerade erst diesen Mann von der St. Patrick-Universität getroffen, Helen Qatars Sohn, und er gehörte – erinnerte er sich da richtig? – zum Lehrkörper derselben Fakultät wie diese Mrs. Neumann. Lucas schloss die Augen und stellte sich James Qatar mit vollem Haar vor …
Konnte Zufall sein. Aber sein Gefühl sagte ihm etwas anderes.
»Gottverdammter James Qatar!«, sagte er laut. Er stieg aus der Dusche, sprang aber sofort wieder zurück, um die Seife von seinen Beinen abzuwaschen. Sah James Qatar vor seinem geistigen Auge. Sah Qatars Freundin gestern in der Ecke des Zimmers sitzen – jung, blond, recht klein, Künstlerin. Sie konnte als Modell für die ermordeten Frauen dienen.
»Gottverdammter James Qatar«, wiederholte er, und es klang erstaunt.
Marcy war wieder einmal in einen Papierstapel vertieft; Del war noch nicht da, und Marshall las in einer Ausgabe der
Cosmopolitan
. Auf der Titelseite versprach das Magazin, bisher unbekannte Tricks zu enthüllen, mit denen man »den Mann, der dich verlassen hat«, zurückgewinnen könne. Marshall schien das sehr zu interessieren.
Marcy sah auf und sagte: »Hey. Black und Swanson haben keinen Erfolg, aber wir häufen eine ganze Wagenladung Daten an. Das FBI hat uns gerade ein überarbeitetes Profil des Killers zugestellt, dazu die Lebensläufe aller Mitglieder der kunsthistorischen Fakultät von St. Patrick, über die sie Akten haben. Ein ganze Menge der Älteren sind beim FBI erfasst, weil sie Unbedenklichkeitsbescheinigungen für eine Regierungstätigkeit während der schlechten alten Tage brauchten, und …«
Lucas unterbrach. »Spielt keine Rolle mehr.«
»Wieso das denn?« Sie stand auf. Sie kannte diesen Ton in Lucas’ Stimme. »Wieso spielt das keine Rolle mehr?«
Marshall unterbrach seine Lektüre. Lucas stieß die Tür zu seinem Büro auf, drehte sich dann um, sagte: »Heute Morgen unter der Dusche – ich seifte gerade gleichzeitig den Kopf und meinen muskulösen Waschbrettbauch ein …«
Marcy ging hinter ihm her. »… um anschließend deine Socken darauf zu schrubben …«
»… da überfiel mich die Erkenntnis, dass der Totengräber niemand anders ist als …« Er brach ab, ließ sie raten. Aber keiner äußerte eine Vermutung, beide sahen ihn nur gespannt an. »… James Qatar, Helen Qatars Sohn.«
Marshall sah Marcy an, Marcy sah Marshall an, dann richteten beide den Blick zurück auf Lucas, und Marcy sagte: »Dürfen wir erfahren, wie du das begründen willst?«
»Ich könnte es natürlich erklären, aber wir sollten jetzt keine Zeit verschwenden …« Er sah Marshall an. »Kennen Sie jemanden an der Uni in Stout?«
Marshall nickte. »Ja, mehrere Leute. Ich kenne den Uni-Präsidenten.
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