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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Minneapolis, in denen die Cops den Dienst in ziviler Kleidung versahen – bis auf Lucas’ selbstständige Sonderermittlungsgruppe. Lester hatte das unbewegte Gesicht des langjährigen Bürokraten, brachte aber durchaus noch das dünne skeptische Lächeln des Straßen-Cops zustande. Als Lucas am nächsten Morgen zu ihm ins Büro kam, deutete Lester mit der Kaffeetasse in der Hand auf Lucas’ Kopf und sagte: »Sie haben einen großen Knutschfleck am Hals.«
    »Sie bestätigen mal wieder, dass Sie ein perfekt ausgebildeter Ermittlungsbeamter sind«, sagte Lucas, fuhr aber beschämt mit den Fingern über den Fleck, den er beim Rasieren bereits bemerkt hatte. »Haben Sie mit Swanson gesprochen?«
    »Er hat mich gestern Abend zu Hause angerufen, ehe er zu Ihnen gefahren ist«, antwortete Lester. »Ich hatte gehofft, dass Sie vorbeikommen.« Er lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Metallschreibtisch. Schmutzig graues Morgenlicht drängte sich durch die Spalten der Jalousie hinter ihm; eine altersschwache Tomatenpflanze dämmerte auf der Fensterbank dem Tod durch Vertrocknen entgegen. »Werden Sie mir sagen, wie Sie an den Knutschfleck gekommen sind?«
    Lucas überhörte die Frage, konterte stattdessen: »Sie haben mir mal gesagt, Sie würden sich jedes Mal einen Nerv einklemmen, wenn Sie die Füße auf den Schreibtisch legen.«
    »Verdammt!« Lester zog schnell die Füße vom Tisch, setzte sich aufrecht hin und rieb sich den Nacken. »Immer, wenn ich eine Tasse Kaffee vor mir habe, lege ich automatisch die Füße hoch. Und wenn ich das längere Zeit mache, werde ich für eine Woche zum Krüppel.«
    »Sie sollten mal zum Doktor gehen.«
    »Hab ich getan. Er hat gesagt, ich soll die Füße immer auf dem Boden lassen und mich aufrecht hinsetzen. Scheiß-Orthopäden …« Offensichtlich hatte er den Knutschfleck vergessen. »Jedenfalls, Sie und Ihr Team sind herzlich willkommen, sich in den Fall einzuklinken. Swanson wird Ihnen alles über den Fundort der Leiche und das Ergebnis der Durchsuchung von Aronsons Appartement sagen und Ihnen die Akten und Fotos übergeben. Rie wird Sie in Kontakt mit den Frauen auf den anderen Zeichnungen bringen. Sind sie nicht irre, diese Zeichnungen?«
    »Ja, echt irre«, stimmte Lucas zu.
    Sie dachten beide einige Sekunden darüber nach, über das Irre im Einzelnen und im Besonderen, dann sagte Lester: »Ich werde die Mordkommission anweisen, Swanson und Black zu Ihrem Team abzustellen, und Sie übernehmen dann den Fall. Wir haben drei weitere Mordfälle am Hals, dazu noch diese verdammte Brown-Sache. Ohne Lynette Browns Leiche beruht alles nur auf Indizien, und der Staatsanwalt scheißt sich vor ohnmächtiger Wut fast die Hose voll. Wir haben den verdammten Zahnarzt, der Lynette diese Goldbrücke eingesetzt hat, immer noch nicht gefunden.«
    »Wie ich gehört habe, hat Mr. Brown Jim Langhorn angeheuert.« Langhorn war ein bekannter Rechtsanwalt.
    »Ja. Einem Gerücht zufolge hat sich das so abgespielt: Brown rief Langhorn an, und Langhorn sagte nur: ›Eine Million.‹ Und Brown sagte: ›Abgemacht.‹«
    »Wenn Sie es wirklich mit Langhorn zu tun kriegen …«
    »Es ist so«, sagte Lester.
    »Dann sehen Sie ganz schön alt aus.«
    »Das weiß ich.«
    »Vielleicht gibt’s ja aber einen Durchbruch in dem Fall«, sagte Lucas. »Vielleicht findet jemand einen Zahn in einem Eierkarton, und dann können Sie eine DNA-Analyse machen lassen oder so was.«
    »Jeder meint, es wär’ eine verdammt komische Sache«, knurrte Lester. Er streckte Lucas anklagend den Zeigefinger entgegen. »Es ist aber alles andere als komisch.«
    »Ein bisschen komisch ist es schon«, schlug Lucas als Kompromiss vor. »Ich meine, Harold Brown …«
    Harold Brown war ein Wohltäter der Menschheit, der mit dem Geld seines verstorbenen Vaters eine Fabrik betrieb, in der Altpapier zu Eierkartons recycelt wurde. Und nun war er in Verdacht geraten, auch seine Frau Lynette recycelt zu haben. Die Mordkommission verdächtigte ihn, ihre Leiche in einen Säure-Bottich geworfen zu haben – man hatte eine Zahnbrücke aus Gold am Boden des Bottichs gefunden, als man die Säure abgelassen hatte –, und man vermutete, dass Lynette inzwischen als Bindemittel in Kartons für Eier der Güteklasse A diente.
    »Nein, es ist überhaupt nicht komisch«, widersprach Lester. »Seit Kanal Elf die Sache mit der Zahnbrücke spitzgekriegt hat, bedrängen uns die Fernsehleute wie ein Rudel Wölfe.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Aber

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