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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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verstecken, an dem man es nicht finden konnte. Wenn die Polizei ihm auf den Fersen war …
    Hatte die Polizei seine Spur bereits aufgenommen? Das war die entscheidende Frage.
    Er schwang die Beine aus dem Bett, streckte sich, holte ein Glas Wasser, nahm zwei Aspirin-Tabletten, ging zu seinem Wagen. Noch hatte er eine Stunde Tageslicht, überlegte er. Wenn die Polizei ihn beschattete … Er dachte ein paar Minuten nach, fuhr dann los – zum Kunstmuseum von Minneapolis. Es war ein angemessenes Ziel für einen Kunsthistoriker. Und wichtig war auch, dass es in den engen Straßen um das Museum kaum einen freien Parkplatz gab.
    Während der Fahrt behielt er die nachfolgenden Fahrzeuge im Rückspiegel im Auge. Er vermutete, dass ein Beschatter der Polizei sich mit seinem Wagen nicht direkt hinter ihm einordnen würde, und er versuchte daher, die nächsten drei oder vier Fahrzeuge im Blick zu behalten. Als er das Museum erreichte, war ihm ein grauer Wagen amerikanischer Bauart bereits verdächtig vorgekommen. Der Wagen war schon älter und völlig unauffällig. Qatar fuhr am Museum vorbei, hielt Ausschau nach einer Parklücke; hielt an, als er eine entdeckt hatte, allerdings eine recht schmale, begann dennoch ein Einparkmanöver. Ließ es absichtlich misslingen, setzte zurück auf die Straße.
    Der graue Wagen war aus seinem Blickfeld verschwunden. Er versuchte es noch einmal mit der Parklücke, verpatzte das Manöver erneut, gab auf und fuhr weiter, am Museum vorbei, um die nächste Ecke, dann wieder um die nächste, beschleunigte entlang der Rückfront des Museums. Und dann, an der nächsten Ecke, erschien der graue Wagen wieder im Rückspiegel. Qatars Herz schlug schneller.
    Seine Befürchtung bestätigte sich: Sie waren hinter ihm her …
    Er fuhr weiter, um die nächste Ecke, fand eine Parklücke zwischen dem Museum und einer Grünfläche. Er begann das Einparkmanöver, legte den Arm über die Lehne des Beifahrersitzes und sah dabei durch die Heckscheibe, dass der graue Wagen an der Ecke angehalten hatte und sich erst jetzt wieder in Bewegung setzte. Er meinte auch zu sehen, dass der Mann in dem Wagen zu ihm herüberschaute. Qatar bugsierte den Wagen in die Parklücke, schloss ihn ab und ging, ohne sich umzusehen, um die Ecke und dann weiter zum Eingang des Museums.
    Er besuchte die Impressionisten und Postimpressionisten. Zwang sich dazu, vor jedem Bild einige Zeit stehen zu bleiben. Schaute besonders lange auf ein Bild von van Gogh, nahm es jedoch überhaupt nicht wahr. Wanderte langsam die Galerie entlang; die Bilder hätten genauso gut Snoopy-Cartoons sein können. Einige Besucher begegneten ihm, aber keiner von ihnen schien sich für ihn zu interessieren, keiner sah ihn an. Nach einer halben Stunde hielt er es nicht mehr aus und verließ das Museum. Draußen war es immer noch hell.
    Er fuhr geradewegs nach Hause; der graue Wagen tauchte nicht wieder hinter ihm auf, und auch kein anderes Fahrzeug schien sich an seine Fersen zu heften. Hatte er sich vorhin getäuscht? Er hielt an einem Lebensmittelladen, kaufte eine Packung Truthahnbrust in Scheiben, ein Brot, Milch und Getreideflocken, setzte dann den Weg nach Hause fort. Nichts. Wo zum Teufel waren die Verfolger?
    Am frühen Abend war er erschöpft und gelangweilt zugleich. Er war inzwischen wieder überzeugt, dass man ihn beschattete, und er wagte es nicht, das Haus in der Dunkelheit zu verlassen. Er mampfte drei Schalen Cornflakes in sich hinein und torkelte schließlich mit weit überhöhtem Blutzuckerspiegel ins Wohnzimmer. Er versuchte es mit Fernsehen, mit Musik, mit Lesen. Nichts lenkte ihn ab, aber die Stunden vergingen.
    Um Mitternacht legte er sich ins Bett. Konnte nicht einschlafen, stand wieder auf, nahm eine Schlaftablette. Konnte immer noch nicht einschlafen, stand wieder auf, nahm noch eine Tablette. Und fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Am nächsten Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, zeigten sie sich wieder.
    »Da seid ihr ja wieder, ihr Trottel – da seid ihr ja wieder«, sagte er laut vor sich hin, als der graue Wagen zwei Blocks hinter ihm aus einer Nebenstraße auftauchte. Sie schlossen nicht zu ihm auf, schienen damit zufrieden zu sein, ihn aus der Distanz im Auge zu behalten. Hatten sie vielleicht einen dieser kleinen Peilsender an seinem Wagen angebracht? Möglich wäre es, wie er überlegte. Er fuhr zur Universität, hielt eine Vorlesung, ging zum Mittagessen; fuhr dann zu »Martens’s Beerdigungsinstitut«, um einen Sarg für seine Mutter

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