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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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fünfzehn Meter jenseits des Ware-Büros, und sie stiegen aus. Zur gleichen Zeit fuhr eine Frau bei »Christmas Ink« vor. Sie lief um ihren Mini-Van, öffnete die Hecktür, und als Del und Lucas vorbeikamen, versuchte sie gerade, einen offensichtlich schweren Karton von der Ladefläche zu ziehen.
    »Kommen Sie, wir übernehmen das«, sagte Lucas.
    Sie trat zurück, musterte sie misstrauisch, sagte dann: »Vielen Dank.«
    Die Frau war Mitte fünfzig, hatte eine mit goldfarbenem Glanzspray sorgsam gestylte Frisur und grellrot glitzernde Lippen. Sie trug einen hüftlangen Nylon-Parka und Gummi-Überschuhe. Sie wartete, bis Lucas den Karton von der Ladefläche gezerrt hatte, schloss den Wagen ab und ging ihnen voraus zur Eingangstür von Christmas Ink.
    Innen verlief ein Ladentisch von Wand zu Wand, und eine andere Frau sowie zwei Männer saßen an Metallschreibtischen im Hintergrund und starrten auf Computer-Bildschirme. Ein Bücherregal war voll gestopft mit Katalogen und Adressbüchern; an einer Wand waren Glückwunsch- und Trauerkarten aufgereiht, geordnet nach Titeln wie »Volkstrauertag«, »Muttertag«, »Vatertag« und »Neue Beileidskarten von Leonbrook«. Die Frau in dem Parka hob einen Sperrbalken hoch, ging hinter den Ladentisch und sagte: »Sie können den Karton hier abstellen. Nochmals vielen Dank.«
    Lucas stellte den Karton auf den Tresen und sagte seinerseits: »Wir sind von der Stadtpolizei Minneapolis.«
    Die Frau reagierte mit einem »Oh«, und die drei anderen Leute im Hintergrund sahen zu ihnen herüber.
    »Wir suchen einen Mann namens Morris Ware. Wir möchten mit ihm reden.«
    Einer der Männer sah zu der Frau vor dem Computer hinüber und sagte: »Ich hab’s dir ja gesagt …«
    »Was?«, fragte Del.
    Der Mann sagte: »Wir wollen keinen Ärger mit unseren Nachbarn kriegen …«
    Lucas hob die Schultern. »Mr. Ware braucht ja nicht zu erfahren, dass wir hier bei Ihnen waren.«
    Die Frau mit dem Parka zog den Reißverschluss auf und sagte: »Da drüben geschehen recht seltsame Dinge.«
    »Was zum Beispiel?«, fragte Del.
    Einer der Männer meldete sich: »Ich bin mal raus zu den Mülleimern gegangen. Der junge Bursche, der nebenan arbeitet, hatte gerade auch den Abfall hinausgebracht, und als er zurückging und die Tür aufmachte, fiel grelles Licht durch den Spalt, und ich sah dieses Mädchen. Es war nackt.«
    »Wie alt?«, fragte Lucas.
    Der Mann hob die Schultern. »Nicht sehr alt. Aber ich denke, alt genug für den Job, den sie da machte. Ich meine, sie hatte richtige Brüste und alles …«
    »Aber es sind da auch Kids reingegangen, die bestimmt zu jung dafür waren«, sagte die Parka-Frau. Sie zog das Kleidungsstück aus und hängte es über die Lehne eines Bürostuhls. »Wir wussten nicht, was die da drüben machten, aber ich bin ein paarmal morgens auf Kids gestoßen, die vor der Tür drüben rumlungerten und darauf warteten, dass man sie reinließ. Sie sahen aus wie … wie Waisenkinder oder so.«
    »Wie Straßenkinder?«, fragte Lucas.
    »Ja. Die sehen ja immer älter aus, als sie sind.«
    »Jünger als achtzehn?«
    »Wir möchten keinen Ärger kriegen«, sagte der zweite Mann, der bisher noch nichts gesagt hatte.
    »Du willst nie Ärger kriegen, George«, sagte die zweite Frau. »Wir hätten das melden sollen.«
    »Ich versuche nur, Schaden von unserem Geschäft fern zu halten«, verteidigte sich George.
    »Wir hätten es trotzdem melden sollen.«
    »Jünger als achtzehn?«, wiederholte Lucas seine Frage.
    »Einige von ihnen waren höchstens fünfzehn«, sagte die Frau aus dem Van.
    Lucas sagte: »Bitte erzählen Sie nichts von unserem Besuch hier bei Ihnen, okay? Und vielen Dank. Del, komm, wir gehen.«
    Draußen hielten sie sich fern von Wares Fenster und gingen zurück zu Lucas’ Wagen. »Wir rufen Benton an und lassen uns einen Durchsuchungsbefehl geben.«
    »Dauert mindestens eine Stunde«, sagte Del.
    »Wir gehen inzwischen Reis und schwarze Bohnen essen …«
    »Ware wird nicht reden. Bestimmt nicht. Wenn wir überhaupt was Belastendes finden, mit dem wir ihn löchern könnten. Er lässt gleich mehrere Anwälte kommen, und die werden dafür sorgen, dass er nichts ausspuckt.«
    Lucas dachte einen Moment darüber nach, sagte dann: »Aronson können wir nicht wieder zum Leben erwecken, und wenn Ware wirklich diese Scheiße mit den Kids anstellt … Wir müssen dafür sorgen – ganz unabhängig vom Aronson-Fall –, dass er aus dem Verkehr gezogen und in Stillwater eingebuchtet

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