Toedlicher Blick
kommen. »Wir haben diesen Porno-Typen hier, von dem ich dir erzählt habe. Er will reden.«
»Ich bringe meinen Rekorder mit«, sagte Sloan.
Sloan war ein Mann mit schmalem Gesicht, der dazu neigte, sich in Grau und Braun zu kleiden. Er gehörte zu Lucas’ besten Freunden und schien sich seit Jahren äußerlich kaum verändert zu haben. Aber in den letzten Monaten hatte Lucas festgestellt, dass Sloans Haar langsam grau wurde. Wie die meisten Cops hatte er ein gebräuntes Gesicht, aber während des Winters war es deutlich gealtert. Die weißen Strähnen betonten die Falten, und er schien immer ausgemergelter zu werden. Vor ein paar Tagen hatte er erzählt, dass er sich in zwei Jahren pensionieren lassen wolle.
Sie wurden langsam alt …
Lucas lehnte am Rahmen der Verbindungstür und plauderte mit Baxter, während Ware zusammengekauert auf einem Stuhl saß und an seinen Nagelhäuten zupfte. Auch er war während der langen Nacht in der Arrestzelle sichtlich gealtert. Gestern hatten sein grau-schwarzes Jackett und das weiße Hemd noch schick ausgesehen; heute wirkten sie schäbig. Dann platzte Sloan herein und fragte fröhlich: »Alles bereit?«
Lucas nickte, und Sloan holte einen zusätzlichen Stuhl aus dem Vorzimmer, steckte das Kabel seines Rekorders in eine Buchse, überprüfte die Kassette, hielt das Datum, die Uhrzeit und die Namen der Anwesenden auf Band fest, sah dann Ware an und sagte: »Sieht aus, als ob Sie eine schlechte Nacht hinter sich hätten.«
»Hmmm«, brummte Ware wütend.
»Es ist immer ein Problem, wenn jemand noch spät eingeliefert wird«, sagte Sloan. »Die Richter sind nicht bereit, einen Dienst für Freilassung auf Kaution rund um die Uhr einzurichten.«
»Ich halte das alles für absurd. Man sollte ja behandelt werden, als sei man unschuldig – bis zum Beweis einer Schuld.«
»Nein«, sagte Sloan. »Sie
sind
unschuldig bis zum Beweis einer Schuld.«
»Ja, richtig, richtig …«
Baxter sah Lucas an und rollte dann mit den Augen. Sie wussten beide, was Sloan da machte – er schlug sich auf Wares Seite. »Stellen Sie ihm endlich eine Frage«, sagte Baxter zu Sloan. »Die Blutsbrüderschaftszeremonie können wir später abhalten.«
Morris Ware hörte sich die Geschichte mit den Zeichnungen an, blätterte dann die Kunstwerke durch. »Sehr schön«, sagte er, aber es klang gelangweilt.
»Was?«, fragte Lucas. »Sie entsprechen nicht Ihrem Geschmack?«
»Nein, keinesfalls«, antwortete Ware.
»Was Jüngeres wäre Ihnen lieber, wie?«, fragte Lucas.
»Ich bin nicht an Körpern interessiert«, sagte Ware. »Ich bin an bestimmten
Qualitäten
interessiert – Unschuld, Frische, Heraufdämmern des Erwachens …«
»Lassen wir diesen Scheißdreck mal sein, Morrie«, sagte Lucas. »Sehen Sie sich diesen Mann an.«
Ware nahm das Foto des Darstellers des
Schakals
in die Hand. »Ja?«
»Kennen Sie jemanden in der Sex-Freakgemeinde, der diesem Mann ähnlich sieht? Und Verbindungen zur Künstlerszene hat, sich mit Computern und Fotografie auskennt, Interesse an blonden Frauen zeigt und die Neigung haben könnte, diese Frauen zu strangulieren?«
Ware sah Lucas über das Foto hinweg an. »Wenn ich es wüsste, wäre das eine ganze Menge mehr wert als Zugeständnisse bei dieser dämlichen Koks-Sache.«
»Andererseits – wenn Sie es wissen, es uns jedoch nicht sagen und wir das rausfinden, dann setzen Sie sich dem Verdacht der Beihilfe zu einem Mord aus. Und wenn ein allseits bekannter Kinderpornograf wegen Beihilfe zum Mord angeklagt wird, sind Geschworene oft nicht besonders pingelig, was die Stichhaltigkeit der Beweise angeht.«
»Ich bin kein allseits bekannter … Lecken Sie mich am Arsch!«
Sloan schaltete sich ein – der
gute
Cop. »Ganz ruhig bleiben, Lucas, wir wollen doch, dass Morrie mit uns kooperiert.«
»Das Arschloch behauptet, er sei kein Pornograf«, fauchte Lucas.
Sloan hob die Hand, sah Ware an. »Lassen wir doch diese Pornografiesache mal beiseite. Die Frage ist ja schließlich, ob Sie einen Mann kennen, wie wir ihn geschildert haben. Also?«
Ware schaute noch einmal auf das Foto, sah dann Sloan wieder an. »Wissen Sie, hier geht es um einen Blick auf die elegante Kunstszene – diese gelangweilte, modisch an Ascot ausgerichtete, an Privatschulen erzogene Gesellschaft …«
»Sie könnten uns also einige Leute nennen?«
»Ich könnte Ihnen fünf oder sechs Namen von Leuten aus der ehm, Kunstszene nennen, die, ehm, ein Interesse an unkonventioneller Sexualität
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