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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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für Seite. Dann schaute Marcy herein und sagte: »Wares Anwalt hat angerufen. Sie sind erst zu einem Gespräch bereit, wenn der Deal vom Bezirksstaatsanwalt schriftlich bestätigt wurde. Ich habe das eingeleitet, und die Sache läuft gerade. Sie wollen herkommen, sobald sie fertig sind.«
    »Okay.«
    Er wandte sich wieder der Akte zu. Als er nach einiger Zeit aufblickte, sah er durch die Glasscheibe in der Tür einen Mann in einer roten Skijacke und ausgebleichten Jeans mit Marcy sprechen. Der Mann hatte breite Schultern, wie ein Turner, und seine Nase sah aus, als ob sie einen oder mehrere Schläge zu viel abbekommen hätte. Er war ein paar Zentimeter kleiner als Lucas, schien aber einige Pfunde mehr an reinem Muskelfleisch zu haben als er.
    Der Mann kam Lucas bekannt vor, aus lange zurückliegenden Zeiten. Lucas beobachtete, wie er sich mit einer Pobacke schräg auf Marcys Schreibtischkante pflanzte, grinste, sich vorbeugte und etwas sagte, was Marcy zum Lachen brachte. Der erwartete Künstler mit dem Namen Kidd? Lucas ging hinüber zu den beiden.
    »Das ist Mr. Kidd«, stellte Marcy vor. »Ich wollte dich gerade herholen.«
    »Ich habe beobachtet, wie du auf die Tür zugerannt kamst«, sagte Lucas trocken. Die beiden Männer schüttelten sich die Hand, und Lucas sagte: »Wir kennen uns – muss allerdings lange her sein.«
    Kidd nickte. »Wir waren zur selben Zeit an der Uni. Sie waren ein Hockey-Crack.«
    Lucas schnippte mit den Fingern. »Und Sie waren der Ringer. Sie haben mal Sheets’ Kopf durch das Geländer in der Sporthalle gestoßen, und man musste die Feuerwehr rufen, um ihn zu befreien.«
    »Sheets war ein Arschloch«, sagte Kidd.
    »Was für eine Art von Arschloch?«, fragte Marcy.
    »Er war schwul und ein verdammter Wüstling«, antwortete Kidd. »Er machte sich an einen Jungen aus dem Norden ran, der wohl auch zur Homosexualität neigte, aber keine Neigung für Sheets entwickelte. Ich hatte Sheets gewarnt.« Und zu Lucas: »Ich bin erstaunt, dass Sie sich daran erinnern.«
    »Wer war er? Sheets?«, fragte Marcy. Lucas bemerkte, dass sie Kidd mit besonderer Intensität ansah.
    »Der stellvertretende Trainer der Ringermannschaft«, antworteten Kidd und Lucas gleichzeitig.
    »Und man hat Sie dann hinausgeworfen?«, fragte Marcy den Künstler.
    »Nicht sofort«, antwortete Kidd. »Meine Arbeiten wurden aber plötzlich schlechter benotet. Was zur Folge hatte, dass man mir das Stipendium strich und mir sagte, ich solle mich verpissen.«
    »Aber Sie waren für einige Zeit
der
Held an der Uni«, sagte Lucas, und Kidd strahlte: »Ja, glorreiche Tage.« Lucas erging sich in Höflichkeit: »Danke, dass Sie zu uns gekommen sind.«
    »Marcy hat mir von diesen Zeichnungen erzählt«, sagte Kidd. »Wir wollten gerade einen Blick darauf werfen …«
    »Dann machen wir das doch gleich mal gemeinsam.«
    Wie Lucas bemerkte, ging Kidd sehr vorsichtig mit den Zeichnungen um, als ob es sich um echte Kunstwerke handelte. Als Erstes rieb er das Papier zwischen den Fingern, dann legte er ein Blatt nach dem anderen auf dem Besprechungstisch aus, nahm sich dabei Zeit. Zweimal sagte er »Oh«, und einmal tippte er mit dem Zeigefinger auf eine Zeichnung, deutete an, dass der Fuß einer Person zu groß geraten war.
    »Was?«, fragte Marcy.
    »Der Fuß stimmt nicht«, antwortete Kidd abwesend.
    Lucas hatte ihn ungeduldig beobachtet, fragte schließlich: »Was halten Sie davon?«
    »Er will zurück in den Mutterleib«, sagte Kidd.
    »In irgendeinen Mutterleib«, sagte Marcy, fügte dann hinzu: »Jemand hat das mal in einem Film gesagt …«
    Kidd sah Lucas an. »Marcy hat mir von dem Versuch des FBI erzählt, ein Profil des Zeichners zu erstellen – dass er zwischen fünfundzwanzig und vierzig ist und eine fundierte Ausbildung in gestaltender Kunst hat. Auf wie viel tausend Männer in Minnesota trifft das wohl zu?«
    »Zu viele, um sie zählen zu können«, antwortete Lucas, wiederholte dann seine Frage: »Was halten Sie davon?«
    Kidd antwortete nicht sofort, sondern drehte drei der Blätter um und sah sie sich noch einmal an. Schließlich sagte er: »Er ist ein Porno-Freak.«
    »Eine großartige Beobachtung«, sagte Marcy sarkastisch. »Ich nehme sie in meine Sammlung der tollsten Schlussfolgerungen auf.«
    »Ich meine, er ist ein Pornofoto-Freak«, sagte Kidd ungerührt. »Die meisten dieser Körper wurden von Pornofotos abgezeichnet, später sind dann die Köpfe hinzugefügt worden. Das ist mit einem Computerprogramm wie

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