Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
reichte ihm einen keinen Stapel der Formulare.
    »Und die Nummer?«
    »Moment …« Sie rief eine Datei an ihrem Computer auf, sagte dann: »Die Nummer ist 3474/AS.«
    »Okay«, sagte Qatar. Er notierte sich die Nummer auf dem obersten Formular und ging. Blieb stehen, sah noch einmal zurück. Verheimlichte sie etwas vor ihm?
    Der Gedanke verfolgte ihn; seit der Auffindung von Aronsons Leiche und der Veröffentlichung seiner Zeichnungen im Fernsehen reagierte er sehr sensitiv auf solche Dinge. Er räumte sein Büro auf und fuhr nach Hause. Brütete über Neumann nach. Was hatte diese Sache mit dem blauen Papier zu bedeuten? Warum steckte der Gedanke daran wie ein Stachel in seinem Bewusstsein?
    Barstad rief an, und er wimmelte sie ab: »Ich versuche, später am Abend noch zu dir zu kommen; wenn es nicht klappt, komme ich auf jeden Fall morgen. Ich habe ein Überraschungsspielchen für dich.«
    »Ein neues Spielchen?« Sie klang erfreut. Idiotisches Weibsstück …»Was ist es denn?«
    »Wenn ich es dir sagen würde, wäre es ja keine Überraschung mehr, oder?«, sagte er und dachte an seine Fotokamera. »Ich rufe dich nachher an, ob ich es heute noch zu dir schaffe. Wenn nicht, morgen Nachmittag habe ich jedenfalls Zeit. Geht das bei dir?«
    »Jederzeit«, sagte sie.
    Um sieben an diesem Abend, als die Hausmeister sich zu einem Schwätzchen in ihrem Aufenthaltsraum trafen, ging er mit seinem Buttermesser und einer Taschenlampe wieder in Neumanns Büro. Der Schreibtisch war nicht verschlossen, und er zog die Schublade auf und sah hinein. Kein blaues Papier. Er schaute auch in den anderen Schubladen nach, war nervös, lauschte auf Schritte im Flur. Nicht das Gesuchte …
    Schaute auf die Pinnwand, sah nichts Blaues. Wollte schon gehen, als er die Ränder eines Papiers unter ihrem großen Tischkalender hervorschauen sah. Er hob den Kalender an einer Ecke hoch, richtete den Strahl der Taschenlampe darunter. Wieder nichts.
    Verdammt. Er verließ das Büro, ging zu seinem eigenen zurück, schaltete die Schreibtischlampe an, schob den Stuhl so weit zurück, dass sein Gesicht im Schatten war, schloss die Augen. Irgendwie war ihm dieses blaue Papier bekannt vorgekommen …
    Er nickte ein paar Minuten ein, und als er die Augen wieder aufschlug, wanderten sie, wie es schien, von selbst zur untersten Schublade seines alten Aktenschrankes. Hatte er das blaue Papier in seinen eigenen Akten gesehen?
    Er ließ sich auf die Knie sinken und zog die Schublade heraus. Ein halbes Dutzend Aktendeckel war mit Papieren voll gestopft, von denen er nicht erwartet hatte, sie vor seiner Pensionierung und dem damit verbundenen Ausräumen des Aktenschrankes noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Er hob die Aktendeckel aus der Schublade, und die Aufschrift »Niveau in der Schlichtheit« auf einem von ihnen fesselte seinen Blick. Notizen, Schriftverkehr, Anmerkungen zu seinem Buch über den indianischen Kubismus im Red River Valley … Er schlug den Ordner auf – und stieß auf das blaue Papier. Er zog es heraus, drehte es um und erkannte es sofort.
    Mein Gott … Vier Jahre alt, und sie hatte sich irgendwie daran erinnert, während er es völlig vergessen hatte. Die Einladung zu einer Party aus Anlass des Erscheinens seines Buches … Der Herausgeber, noch geiziger als die übrige knauserige Verlegerbrut, war nicht bereit gewesen, Geld für die Einladungskarten zu der Party herauszurücken, und so hatte er sich selbst darum gekümmert; hatte ein kleines Selbstporträt für die Vorderseite der in Blau gehaltenen Einladung gezeichnet …
    Das Porträt sah den Zeichnungen, die im Fernsehen gezeigt worden waren, nicht ähnlich, wirklich nicht … Aber sein Kunsthistorikerauge
ahnte
die Ähnlichkeit – in der Technik der Ausführung, der Wahl der Linienführung. Und Neumann war ebenfalls Kunsthistorikerin … Qatar schloss die Augen, schwankte, kippte fast um, überwältigt von der Vision, dass Neumann mit diesem Papier zur Polizei ging. Dann kam man ihm auf die Spur …
    Hatte sie mit jemandem darüber gesprochen? Wahrscheinlich noch nicht. Sie würde damit einen sehr ernsten Verdacht äußern, und wenn sie falsch lag, konnte das das Ende ihrer Karriere bedeuten. Sie würde vorsichtig vorgehen müssen. Dennoch, früher oder später …
    »Sie muss verschwinden«, murmelte er vor sich hin.
    Und zwar sofort. Heute Abend noch. Er hatte diese Logik blitzartig erkannt: Wenn sie mit jemandem bereits über die Zeichnungen geredet hatte, war er erledigt. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher