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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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schwachen Licht gerade noch das Spiegelbild seines Gesichts erkennen; es wirkte düster, geheimnisvoll. Der Kragen des Trenchcoats schmiegte sich hübsch an seinen Unterkiefer. Er versuchte ein Lächeln, brachte sein Profil in die attraktivste Position …
    Und er erinnerte sich: Eine kalte Regennacht wie diese, irgendwo außerhalb von Paris – oder war es Casablanca? – im Jahre 1941 oder 1942, und er stand im Schatten und wartete darauf, dass die Nazis auftauchten. Er hielt ein Fallschirmjägermesser in der Hand und konnte sich in einem Spiegel sehen. Sah einen Mann, der einen militärischen wollenen Trenchcoat im Stil der vierziger Jahre trug; einen Mantel, der seine kraftvollen Schultern betonte, dazu die Baskenmütze … Na ja, eine Baskenmütze war vielleicht dann doch zu viel, eher eine Schiebermütze, wie sie damals Mode war; aber damit würde er vielleicht zu sehr wie ein billiger Spitzel aussehen … Nein, keine Schiebermütze, vielleicht ein Filzhut, die Krempe bis zu den Augen heruntergezogen, der entschlossene Blick darunter dennoch zu erkennen …
    Er gab sich noch ganz seiner Vision hin, als Neumanns Wagen in die Zufahrt einbog und das Garagentor sich öffnete. Qatar zwang sich zurück in die Realität, schüttelte die Fantasievorstellung ab, aktivierte den klaren Verstand, den er für den Mord benötigte. Er musste vermeiden, hinter ihr her zu jagen wie Elmer Fudd hinter dem Erntedankfest-Truthahn; nein, es durfte keine Verfolgungsjagd geben … Die Tür der Garage ging nach innen auf, so dass er sie nicht als Sichtschutz benutzen konnte. Er musste blitzschnell handeln.
    Er hörte, wie das Garagentor sich wieder schloss. Der Motor des Wagens brummte noch einige Sekunden, erstarb dann. Die Wagentür wurde geöffnet, wieder geschlossen; er hob den Spaten. Dann aber wurde wieder eine Wagentür geöffnet, und ein panischer Schreck durchzuckte ihn. Hatte sie etwa noch eine andere Person mitgebracht?
    Ganz ruhig bleiben … Sie holt die Lebensmitteltüten vom Rücksitz, dachte er. Dann wurde die Tür zur Garage aufgezogen, und Neumann trat in den Verbindungsgang. Vielleicht sah sie ihn noch – ihre Augen starrten für den Bruchteil einer Sekunde in seine, ehe der Spaten sie traf –, aber es blieb ihr keine Zeit, auf seine Anwesenheit zu reagieren oder auch nur zusammenzuzucken.
    Er schwang den Spaten wie eine Axt beim Holzspalten, und die Rückseite des Spatenblattes traf sie auf der Stirn, zerschmetterte den Schädel wie eine Wassermelone. Er schlug fester zu, als er je mit einem Schläger beim Softball zugeschlagen hatte; ächzte unter der Anstrengung des Schlages.
    Neumann wurde gegen die Garagenwand geschleudert, sank dann mit einem dumpfen Laut auf den Boden. Der Inhalt der Tüte in ihren Armen wurde auf dem Boden verstreut, und selbst in dem schwachen Licht waren die grellen Markennamen zu erkennen: Campbell-Suppe, Nabisco-Cracker, Swansons Fernsehnaschereien, Tampax …
    Wieder eine unerwartete Bewegung rechts von ihm, und Qatar zuckte zusammen: Die Katze kauerte unter der Tür zum Haus, beobachtete ihn. Miaute, verschwand dann.
    Gottverdammte Katze.
    Er handelte jetzt schnell. Hatte Erfahrungen gesammelt, was nunmehr zu tun war. Neumann war tot, ohne Frage. Der Spaten hatte ihren Schädel zertrümmert; er hatte es gespürt, und als er sich jetzt neben ihren Kopf kniete, konnte er es auch sehen. Ihr Gesicht hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem von Charlotte Neumann. Es war nicht viel Blut geflossen, aber immerhin … Bevor es in den Boden einsickern konnte, zog er ihren Kopf an den Haaren hoch und streifte mit der anderen Hand den Müllsack darüber, dann, so weit es ging, auch über den Körper; ihr Kopf fühlte sich an wie eine Mischung aus Knochensplittern und Hackfleisch in einer alten Socke.
    Die Leiche schleppte er in den Kofferraum ihres Wagens, legte den Spaten dazu. Dann ging er noch einmal ins Haus, holte einen weiteren Müllsack für die herumliegenden Lebensmittel. Es ging ihm nicht darum, sie zu stehlen – er wollte einfach nur alle Spuren beseitigen, die auf eine Gewaltanwendung hinweisen konnten.
    So, und jetzt los …
    Aber Moment mal. Es gab keinen echten Grund zur Eile. Er konnte sich noch ein wenig Zeit nehmen, um im Haus nach Wertsachen zu suchen. Neumann hatte dauernd von ihrem toten Mann gesprochen und alle Welt wissen lassen, wie gut es ihnen materiell gegangen war. Vielleicht gab es tatsächlich etwas, das sich mitzunehmen lohnte …
    Sie hatte dreiundzwanzig Dollar

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