Toedlicher Hinterhalt
weich an. Er schmeckte nach Zahnpasta – musste sich also die Zähne geputzt haben, bevor sie sein Zimmer betreten hatte.
Es war ein kleiner Kuss, sanft und kurz, statt lang und innig, kein die Seele erschütternder, fast zum Orgasmus treibender Kuss, überhaupt nicht so, wie sie das Küssen mit Tom in Erinnerung hatte.
Sie überraschte ihn total – und sich selbst ebenso.
Daraufhin starrten sie einander an, was ihr wie zwanzig Minuten vorkam, auch wenn es vermutlich eher zwanzig Sekunden dauerte.
Dann fand er die Sprache wieder. »Ich bin verrückt. Hallo?! Hast du nicht verstanden, was ich dir gerade erzählt habe?« In sein Lachen mischte sich eine gefährlich klingende Verzweiflung. »Große Güte, und du küsst mich trotzdem. Wo ist dein gesunder Menschenverstand, Ashton? Was hast du dir bloß dabei gedacht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du bist nicht verrückt. Du leidest vielleicht immer noch an den Begleiterscheinungen deiner Verletzung, aber –«
»Diese Begleiterscheinungen könnten dauerhaft bleiben, das weißt du«, unterbrach er sie barsch.
Als sie den Schmerz in seiner Stimme hörte, streckte Kelly erneut die Hand nach ihm aus. Sie legte den Arm um ihn und zog ihn an sich. Gott, es fühlte sich an, als würde sie einen starren Klotz umarmen. Nur dass dieser ein Herz besaß. Ihr Kopf lag an Toms Schulter, sodass sie hören konnte, wie schnell sein Herz schlug.
Es dauerte nicht lange, bis er nachgab. Wenn auch zögerlich, legte auch er den Arm um sie und berührte fast schon widerstrebend ihr Haar.
»Ich kann dir helfen«, flüsterte sie. »Ich kenne mich mit so schweren Kopfverletzungen wie deiner zwar nicht aus, aber ich werde mich darüber informieren und so viel darüber herausfinden wie nur irgend möglich. Und wir sehen zu, dass du dieses CT bekommst.«
Er umarmte sie fester. »Danke.« Dann schob er sie auf Armeslänge von sich weg und hielt sie bei den Schultern. »Aber, Kelly, hör zu, ich denke –«
Sie wusste, was er dachte. Und er sollte zudem erfahren, was ihr durch den Kopf ging. Sie umklammerte seine Arme und schüttelte ihn fast. »Möglicherweise hat dein Gehirn dauerhaft Schaden genommen, weshalb du manches falsch auffasst und dem, was du siehst, eine negative Bedeutung verleihst. Aber es ist genauso gut möglich, dass diese Paranoia oder wie auch immer du es nennen möchtest mit der Zeit nachlässt – genauso wie die Kopfschmerzen und das Schwindelgefühl wieder weggehen können. Wahrscheinlich brauchst du einfach noch mehr Zeit, um dich zu erholen. Vielleicht dauert es sogar mehr als dreißig Tage.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe aber nicht mehr Zeit.«
»Tom, wenn du dir das Bein gebrochen hättest, würdest du doch auch nicht aus der Navy geschmissen werden, nur weil es nicht innerhalb von dreißig Tagen wieder verheilt, oder?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Wo ist der Unterschied?«, beharrte sie.
Er runzelte die Stirn, als wäre ihm auf einmal bewusst geworden, dass er sie nicht länger auf Armeslänge von sich weghielt, sondern ihre Ellbogen umfasste. Außerdem berührte ihr Oberschenkel sein Bein, sie saß sogar fast auf seinem Schoß.
»Vielleicht solltest du besser gehen«, sagte er. »Ich dachte, wenn ich dir alles erzählen würde, dann …«
Sie sah ihn an. »Was dann?«
»Ich weiß nicht«, gestand er. »Aber es gibt verdammt viele andere Möglichkeiten, außer mich zu küssen.«
Gott, jetzt fing er wieder damit an. Kelly wurde langsam wütend. »Tut mir leid, wenn es so furchtbar für dich war. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, sondern es einfach gemacht, okay? Wenn ich überlegt hätte, dann wäre es auch weiterhin nur bei meinem Wunsch, dich zu küssen, geblieben – getraut hätte ich es mich aber nie. Und so habe ich es wenigstens mal getan und weiß nun Bescheid. Und wenn schon? Ich scheine die Realität in meiner Erinnerung etwas idealisiert zu haben. Wenn ich ehrlich sein soll, war der Kuss eigentlich ziemlich langweilig.«
»Langweilig?« Tom lachte ungläubig. »Na schön, sicher. Du hast mich aber auch überhaupt nicht vorgewarnt, keine Signale durch Körpersprache gesendet, nichts. Es war quasi ein Blitzkuss. Wie ein Unfall mit Fahrerflucht.« Was für eine faule Ausrede für einen halbherzigen Kuss.
Das reichte, um sich jetzt total gedemütigt zu fühlen. Kelly versuchte, sich loszureißen, doch diesmal ließ er sie nicht los. Sie öffnete den Mund, um ihm … was zu sagen? Plötzlich wusste sie nicht mehr genau, was
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