Toedlicher Hinterhalt
sich etwa zehn Zentimeter von ihrem entfernt, und seine Beine lagen nah genug an ihren, dass sie seine Körperwärme spüren konnte. Für einen langen Augenblick schaute er auf ihren Mund, sodass Kelly sicher war, es müsse nun so weit sein. Nachdem sie dermaßen lange darauf gewartet hatte, würde Tom Paoletti sie endlich wieder küssen.
»Extrem auf Gegenseitigkeit«, fügte er hinzu, zog sich dann jedoch von ihr zurück. »Aber es gibt noch ein paar Einzelheiten, über die du Bescheid wissen musst, bevor das hier einen Schritt weitergeht.« Er zählte sie an den Fingern ab. »Ich habe wochenlang im Koma gelegen, diese Verletzung könnte das Ende meiner Karriere bedeuten, und ich glaube, dass ich den Verstand verliere, und zwar komplett.«
Er hatte wochenlang im Koma gelegen …?
»Ich sehe immer wieder diesen Kerl«, fuhr er fort. »Und ich weiß nicht, ob er echt ist oder nur eine Wahnvorstellung, die durch –«, er presste die Worte förmlich heraus, »– einen Hirnschaden infolge meiner Verletzung ausgelöst wird. Man nennt ihn den Kaufmann. Er ist ein Terrorist, Kelly.«
Er beobachtete, wie sie reagierte, und sie wusste, dass sie ihm richtig einen mitgab. »Ein Terrorist. Du meinst ein richtiger Terrorist ?«
»Ja, ich weiß«, erwiderte er. »Es hört sich verrückt an.«
»Tom, bist du –?«
»Du musst alles erfahren«, sagte er. »Lass mich dir die ganze Geschichte erzählen, und dann kannst du mir Fragen stellen …«
Kelly nickte. Das war nur fair. Ein Terrorist …
Sie hörte zu, während er ihr vom Kaufmann berichtete, einem Mann, der für Geld tötete. Der Bombenanschlag auf die Pariser Botschaft 1996 ging offenbar auch auf sein Konto. Tom hatte zu einem Team gehört, das ihn schnappen sollte.
»Ich habe mich monatelang nur auf ihn konzentriert und mich darauf vorbereitet, gegen ihn zu kämpfen. Es war wie eine von der Regierung abgesegnete Besessenheit«, erzählte er ihr. »Mein Team hat den Mistkerl so lange analysiert, dass wir ihn am Ende selbst mit verbundenen Augen nachts in einem stockdusteren Raum erkannt hätten. Ich kannte ihn schließlich in und auswendig, Kelly, ich schwöre dir, ich konnte sogar denken wie dieser Schweinehund – und jeden seiner Schritte vorhersehen. Als seine Zelle – sein Team – in England aufgespürt wurde, sind wir angerückt, bereit, ihn hochzunehmen. Was wir auch getan hätten, wenn uns nicht die ganzen Auflagen der Bürokraten im Weg gewesen wären. Stattdessen ist es die absolute Megascheiße geworden. Noch mal Verzeihung für meine Ausdrucksweise.«
Obwohl er ihr gerade etwas derart Ernstes erzählte, konnte Kelly sich das Lachen nicht verkneifen. »Jetzt also absolute Megascheiße, ist das besser oder schlechter, als total in der Scheiße sitzen?«
»Es ist chaotischer.« Tom lächelte zerknirscht. »Tut mir leid. Ich wollte nicht rüde sein. Solche Worte rutschen mir eben einfach immer raus, wenn ich über diese ganze Scheiße rede.« Er zuckte zusammen. »Sorry.«
»Sehe ich vielleicht so aus, als würde ich es dir übel nehmen?«
Sein Blick sprach Bände. »Du siehst …« Er schaute kopfschüttelnd beiseite und stieß den Atem aus. »Ich muss dir erst alles bis zum Ende erzählen, bevor …« Er räusperte sich. »Also, wir sind da rein, und fast sofort ging eine Schießerei los. Das ist meine Definition von absoluter, du weißt schon, Megascheiße. Wenn das Geballer anfängt. SEAL s operieren normalerweise ruhig und leise. Wir sind darauf trainiert, verdeckt einzurücken und wieder abzuziehen. Niemand merkt, dass wir uns vor Ort befinden, ehe wir nicht schon längst wieder weg sind – wenn überhaupt. Aber in dem Augenblick, in dem man mit einer MP 4, also einer Maschinenpistole, feuert, ist es höchstwahrscheinlich, dass einen die Leute auch bemerken. Unser eigentlicher Plan sah vor, reinzugehen und den Kaufmann unauffällig zu ergreifen. Ich weiß nicht einmal, was genau schiefgegangen ist – wer zuerst geschossen hat –, aber plötzlich befanden wir uns mitten in einem Feuergefecht. Und der Kaufmann floh. Der Mistkerl ist einfach entkommen.
Angeblich vertrauensvollen Quellen zufolge soll er schwer verletzt worden sein. Und da er komplett von der Bildfläche verschwunden ist – es ist Jahre her, dass man etwas von ihm gehört hat –, vermuteten viele Leute nun, er sei gestorben.«
»Du aber nicht.«
»Ich hab mir angewöhnt, niemals etwas zu vermuten.« Tom rieb sich die Stirn, als hätte er erneut schlimme Kopfschmerzen.
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