Toedlicher Hinterhalt
leisten kann, eine ernsthafte Beziehung einzugehen. Ehen sind für SEAL s nicht einfach. Sie –«
»Ein Mann mit deinem Beruf kann es sich nicht leisten, keine ernsthafte Beziehung einzugehen. Ich hatte den gleichen Job wie du, weißt du. Nicht haargenau den gleichen vielleicht, aber einen ähnlichen. Das Leben ist so kurz und wertvoll. Wir beide wissen das besser als die meisten anderen Männer. Wie kannst du das Glück in den Armen halten und nicht alles in deiner Macht Stehende tun, um es für immer zu bewahren?«
Tom wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
»Außerdem gibt es so etwas wie eine einfache Ehe nicht«, fuhr Joe fort. »Ich habe in meinem Leben eine Menge Beziehungen mitverfolgt. An denjenigen, die harmonisch verlaufen und am längsten halten, wird stetig gearbeitet, so wie bei einem alten Auto. Ein T-Modell fährt ewig, wenn es ordentlich instand gehalten wird. Aber sobald man anfängt, es zu vernachlässigen …«
Tom lehnte sich gegen das Geländer. »Dennoch hast du nie geheiratet.«
»Nein«, stimmte Joe ihm zu. »Das habe ich nicht. Aber es lag nicht daran, dass ich nie jemanden gefragt hätte.«
»Cybele«, entgegnete Tom.
Joe schaute hinüber zu Charles, der immer noch tief und fest schlief. Als er wieder zu Tom sah, schüttelte er nur mit dem Kopf.
»Ich wünschte, du würdest mir von Frankreich erzählen«, sagte Tom. »Und von dieser Cybele und auch von Mr Ashton und der Fünfundfünfzigsten. Bis vor ein paar Tagen wusste ich nicht einmal, dass du beim OSS warst, und ich bin –« Er brachte den Satz nicht zu Ende und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe ja, warum du mir nichts davon erzählt hast, was du im Krieg tun musstest. Es gibt schrecklich viele Dinge, die ich gemacht habe, über die ich aber nicht reden kann, und sogar noch mehr, über die ich einfach nicht sprechen will. Ich werde dich nicht danach fragen, aber wenn du je reden möchtest …«
»Danke«, erwiderte Joe. »Aber ich muss die ganze Geschichte nach der Feier am Dienstag schon diesem Autor erzählen. Ich fürchte, ich ertrage es nicht, es zweimal zu tun.«
»Du musst überhaupt nichts machen«, entgegnete Tom.
»Weißt du, was«, schlug Joe vor. »Du könntest zum Juwelier in die Stadt gehen und Kelly einen Ring kaufen. Gib ihn ihr, bevor du die Nacht mit ihr verbringst.«
Großer Gott! »Abendessen«, meinte Tom. »Wir fangen mit einem Abendessen an.«
Joe nickte. »Ich werde nicht wach bleiben.«
»Ich muss mich jetzt an den Computer setzen und Arbeit erledigen«, erklärte Tom seinem Onkel und trat eilig den Rückzug ins Haus an.
Du musst überhaupt nichts machen , hatte Tom Joes Vorhaben kommentiert, mit diesem Autor, Kurt Hoffman, zu reden.
Aber Joe musste es sehr wohl tun. Denn es war wichtig, die Geschichte zu erzählen, bevor Charles starb.
Vor dem Baldwin’s Bridge Hotel stand eine Statue mit Joes Konterfei. Und diese Stadt sollte endlich erfahren, dass es sich dabei um Charles Ashtons Gesicht hätte handeln müssen.
Charles Ashton – einer der Reichsten der Reichen in einer wohlhabenden Stadt. Er war in der Lage, so gut wie jeden zu kaufen und zu verkaufen. Das geerbte Vermögen seines Urgroßvaters hatte er mit mutigen Investitionen und gnadenloser Finanzakrobatik verdoppelt. Er wirkte kalt und gefühllos, doch nur wenige erkannten die Wahrheit – dass es ihm schlichtweg nichts bedeutete, Geld aufs Spiel zu setzen. Nicht, nachdem er den Krieg überlebt und gesehen hatte, wie viele Menschen ihr Leben riskierten und so vieles opferten.
Als Charles älter wurde, hatte er versucht, Ansehen in der Stadt zu erlangen, indem er dem Krankenhaus großzügige Summen spendete. Aber daraufhin war nur das Gerücht umgegangen, er habe sich vermutlich auch während des Krieges eine sichere Position weitab der Front erkauft.
Nichts hätte weiter weg von der Wahrheit sein können.
Charles war der wahre Held von Baldwin’s Bridge. Und Joe würde diese Geschichte endlich erzählen.
Allerdings nicht die ganze. Es gab Teile, von denen er niemals jemandem berichten würde. Dazu gehörte auch die Nacht, in der Cybele in sein Zimmer gekommen war.
Joe saß auf der Veranda neben Charles, der seit Langem einmal friedlich schlief. Er prüfte, ob die Decke immer noch fest um die Füße seines Freundes geschlagen war.
Als er gesehen hatte, wie Charles die Waffen putzte, die er aus dem Krieg mit nach Hause gebracht hatte, war er wieder zurück in die Vergangenheit katapultiert worden. Ein merkwürdiges
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