Toedlicher Hinterhalt
anschalten sollen.«
»Schon okay.« Ihre Stimme klang belegt, und sie räusperte sich, denn sie befürchtete, er könnte irgendwie ahnen, an was sie gerade gedacht hatte. »Es ist noch nicht so dunkel draußen, wie man von hier drinnen aus vielleicht meint.«
Sie stellte die Tüte auf der Arbeitsfläche ab, während Tom begann, seine Unterlagen einzusammeln. Zuvor hatte er seine Brille geschickt in einer seiner Hosentaschen verschwinden lassen. Er trug ein locker sitzendes T-Shirt und weite Shorts, die seinen perfekt gestählten Körper verhüllten. Doch sie konnte seine Beine sehen – lang und gebräunt, leicht bedeckt mit goldbraunen, von der Sonne gebleichten Härchen. Er besaß äußerst muskulöse Waden. Leider verschwanden seine Oberschenkel in den weiten Hosenbeinen, doch es brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie es unter dem Stoff aussah, wie seine Beine schließlich in seinen perfekt geformten Hintern und die schmalen Hüften übergingen.
»Das brauchst du nicht wegzuräumen«, sagte sie. »Du kannst hier so lange arbeiten, wie du möchtest.«
»Danke«, gab er zurück. »Aber ich bin so gut wie fertig. Alles okay bei dir?«
Sie brachte ein Lächeln zustande. »So okay, wie es nur sein kann, wenn eine Sechsjährige an einer potenziell tödlichen Krankheit leidet. Betsy kommt gleich morgen früh ins Krankenhaus. Es müssen noch ein paar Tests gemacht werden, bevor wir mit der Chemo anfangen können und …«
Kelly bemerkte, dass die Geräusche eines Baseballspiels aus dem Wohnzimmer zu ihnen herüberdrangen. Dem Wohnzimmer …? Wenn Charles allein war, setzte er sich stets in seinen Lieblingssessel im Fernsehzimmer, wie er es nannte. Nur wenn er Gesellschaft hatte, guckte er meist auf dem Großbildfernseher im Wohnzimmer.
… wenn Joe bei ihm war.
Sie stieß die Küchentür auf, die in das abgedunkelte Esszimmer führte, und ging auf den Türbogen zu, der den festsaalartigen Essbereich von dem riesigen Wohnzimmer trennte. Es brannte nur eine Lampe, doch der Fernseher erhellte den Raum mehr als ausreichend.
Das Licht flackerte über die Gesichter von Charles und Joe.
Die beiden saßen zusammen, im selben Zimmer und auf demselben Sofa, schauten sich das Red-Sox-Spiel gegen Baltimore an und diskutierten über Nomar Garciaparra, der gerade am Schlagmal stand.
Während sie sich weiter im Dunkeln hielt, traf der Spieler, und beide Männer schrien begeistert, als der Ball weit aus dem Spielfeld hinausflog.
Sie konnte zwar nicht verstehen, was Joe daraufhin sagte, doch es brachte ihren Vater zum Lachen.
Charles lachte. Mit Joe zusammen.
Kelly spürte Tom mehr hinter sich, als dass sie ihn hörte. Sie drehte sich zu ihm um und legte einen Finger an die Lippen. Was auch immer heute zwischen Charles und Joe passiert war, es musste auf einer mächtigen Magie beruhen, und sie würde es nicht riskieren, den Zauber zu brechen. Sie bedeutete dem SEAL ihr zu folgen und ging schnell durch die Schiebetüren im Esszimmer hinaus auf die Veranda.
Erst als die Glasfront wieder hinter ihnen geschlossen war, traute sie sich, etwas zu sagen. »Was hast du gemacht?«, fragte sie Tom. »Was hast du ihnen gesagt?«
»Freu dich nicht zu früh«, warnte er sie. »Diese Sache, wegen der sie die ganze Zeit über streiten, hat sich noch nicht erledigt.«
»Aber sie sitzen da … Wie hast du das geschafft? Hast du sie hypnotisiert? Ich dachte, nur noch ein Wunder –« Kelly versagte die Stimme, und sie drehte sich weg, als ihr Tränen in die Augen stiegen. Es war ein Wunder.
»Ich hab eigentlich gar nichts getan«, erwiderte Tom. »Ich hab ihnen nur von … also, von einem Projekt erzählt, an dem ich gerade arbeite, und meinte, wenn sie mir dabei helfen wollten, müssten sie mit ihren Diskussionen und Streitereien aufhören.«
Kelly spürte, wie er sie musterte und sich fragte, ob sie einen emotionalen Zusammenbruch erleiden und in Tränen ausbrechen würde. Doch deswegen hätte er sich keine Sorgen zu machen brauchen. Ashtons neigten nicht zu solchen Reaktionen. Von so lästigen und niederen Dingen wie Gefühlen versuchten sie sich weitestgehend fernzuhalten. Das war ihr von klein auf nachdrücklich beigebracht worden. Reiß dich zusammen, hatte ihr Vater leidenschaftslos von ihr gefordert und sich hinter seiner Zeitung verschanzt. Komm wieder, wenn du bereit bist, wie ein vernünftig denkender Mensch darüber zu diskutieren. Tränen – auch der Freude – mussten um jeden Preis vermieden werden.
Sie
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