Toedlicher Hinterhalt
wäre gut, wenn Sie sie fragen könnten, ob sie was dagegen hätte, wenn meine urlaubenden Freunde in einigen der freien Zimmer übernachten.«
»Kelly soll nichts von der ganzen Aktion wissen?«, hakte Joe nach.
Tom zögerte. Möglicherweise wäre es sogar besser, Kelly erführe alles. Denn wenn sie ihn für verrückt hielte, würde sie sich vielleicht zurückziehen und er bräuchte sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob er die Kraft aufbringen könnte, sie abzuweisen.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete er schließlich. »Lasst mich darüber nachdenken, was wir ihr sagen. Bis auf Weiteres weiß keiner irgendetwas.« Er schaute erst Charles und dann Joe an. »Wir müssen das für uns behalten, Gentlemen. Ich weiß, dass ihr ein Geheimnis bewahren könnt.« Offensichtlich, schließlich gab es da irgendetwas, das sie seit 1944 totschwiegen. »Und ich meine es ernst, wenn ich euch sage, dass ihr mit dem schwachsinnigen Gestreite aufhören müsst. Wenn ihr das nicht könnt, dann haltet ihr euch verdammt noch mal besser gleich raus. Solche Hilfe kann ich nicht gebrauchen. Hab ich mich klar genug ausgedrückt?«
Die beiden Männer schauten einander an. Dann sahen sie beide zu Tom und nickten. Herrgott noch einmal, es kam viel zu zögerlich. Als wären sie in den letzten sechzig Jahren nicht etwa beste Freunde, sondern Todfeinde gewesen.
Tom beließ es gnädigerweise dabei. »Von jetzt an müsst ihr unzertrennlich sein. Wenn ihr dieses Anwesen verlasst, dann nur gemeinsam, und ihr nehmt ein Handy mit. Solltet ihr eine verdächtige Person bemerken, haltet ihr euch zurück. Ihr folgt ihr – wenn ihr könnt – und ruft mich dann an. Bitte keine Heldentaten.«
»Möchtest du, dass wir drüben im Hotel einen Beobachtungsposten einnehmen?«, fragte Charles mit großem Vergnügen. »Wenn sich dieser Kaufmann in der Stadt aufhält, muss er ja irgendwo wohnen.«
»Ich gehe das Schachspiel suchen«, meinte Joe. »Das ist die perfekte Tarnung. Dieser Terrorist wird nie im Leben vermuten, dass die beiden älteren Herren, die in der Hotellobby Schach spielen, in Wirklichkeit nach ihm Ausschau halten.«
Er ging in den Raum nebenan, und auch Charles stand auf. »Ich hole besser meinen Hut.«
Tom sah zu, wie auch er aus dem Raum schlurfte, seine Sauerstoffflasche hatte er ganz vergessen. Und zum ersten Mal in seinem Leben dankte Tom Gott im Stillen für den Kaufmann.
Nachdem sie von Mrs Ellis am Marktstand erfahren hatte, dass diese ihren Vater und Joe in der Lobby des Baldwin’s Bridge Hotels Schach spielen gesehen hatte, war Kelly sofort nach Hause geeilt. Doch nun hielt sie vor der Tür inne. Sie konnte Tom durch die Fliegengittertür hindurch erkennen. Er saß am Küchentisch, umgeben von großen Papierstapeln und Aktenordnern.
Zum Lesen trug er eine Halbbrille, mit der er total paradox aussah – je nach Blickwinkel wie ein intellektueller Krieger oder aber wie ein rowdyhafter Bibliothekar. Den Kopf hatte er auf eine Hand gestützt. Während sie einen Moment lang so dastand, die Tüte mit frischem Obst und Gemüse vom Markt in den Händen, rieb er sich über die Stirn, als hätte er immer noch schreckliche Kopfschmerzen.
Sie verlagerte das Gewicht etwas, wobei die braune Papiertüte nur ganz leise knisterte, doch er schaute sofort alarmiert auf und blickte in ihre Richtung nach draußen in die Dunkelheit. Keine Sekunde später war er auf den Füßen und kam mit einer fließenden Bewegung zur Tür gelaufen. Er schaltete das Licht an und öffnete gleichzeitig die Fliegengittertür.
Kelly stand bloß da und blinzelte ihn angesichts der plötzlichen Helligkeit an.
Tom riss sich die Brille von der Nase und versteckte sie hinter seinem Rücken.
Hi Schatz, ich bin wieder zu Hause … Für einen kurzen Augenblick gab sich Kelly der Vorstellung hin, wie es wohl wäre, nach einem langen, harten Arbeitstag zu so jemandem wie Tom Paoletti heimzukommen. Er würde an der Tür auf sie warten, ihr einen innigen Kuss geben und ihr den Arztkittel ausgezogen haben, noch bevor sie es den Flur entlang bis ins Schlafzimmer geschafft hatten. Oder sie würden gleich hier auf dem Küchentisch Sex haben oder an die Wand neben der Tür zum Schlafzimmer gelehnt, und all die Anstrengungen, die Schmerzen und der Frust des Tages würden sich einfach in Luft auflösen.
»Entschuldige«, riss er sie aus den Gedanken und trat zur Seite, um sie hereinzulassen. »Ich habe nicht nachgedacht. Ich hätte das Licht draußen schon früher
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