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Tödlicher Irrtum

Tödlicher Irrtum

Titel: Tödlicher Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Drymouth gefolgt war und herausgefunden hatte, wo er sich aufhielt, musste er ihm etwas Wichtiges mitzuteilen haben; die überfüllte Hotelhalle eignete sich kaum für Gespräche privater Natur.
    »Bitten Sie ihn heraufzukommen«, sagte Calgary.
    Er erhob sich und ging im Zimmer auf und ab, bis er ein Klopfen hörte.
    Er öffnete die Tür.
    »Bitte treten Sie ein, Mr Jackson…«
    Erstaunt trat er einen Schritt zurück, denn vor ihm stand nicht Leo Jackson, sondern ein junger Mann Anfang der zwanzig, dessen hübsches, dunkles Gesicht finster wirkte.
    »Mich haben Sie wohl nicht erwartet, was? Ich bin Michael Jackson.«
    Calgary schloss die Tür, bat seinen Besucher, Platz zu nehmen, und bot ihm eine Zigarette an. Dann fragte er: »Woher wussten Sie, dass ich hier bin?«
    »Das war ganz einfach«, erklärte Michael Jackson mit einem unangenehmen Lachen. »Ich hab die beiden besten Hotels der Stadt angerufen, und beim zweiten Mal hatte ich Glück…«
    »Und warum wollen Sie mich sprechen?«
    »Ich wollte Sie kennen lernen«, sagte Michael Jackson langsam und betrachtete Calgary aufmerksam. »Sie waren, wie ich hörte, ein Mitglied der Südpolexpedition? Sie sehen allerdings nicht sehr kräftig aus.«
    Arthur Calgary lächelte.
    »Der Schein trügt oft«, erwiderte er. »Ich bin sehr zäh, außerdem kommt es nicht nur auf die Muskeln an – Ausdauer, Geduld und technische Erfahrungen sind ebenso wichtig.«
    »Wie alt sind Sie? Fünfundvierzig?«
    »Achtunddreißig.«
    »Sie sehen älter aus.«
    »Schon möglich.« Er seufzte und warf einen traurigen Blick auf den kräftigen jungen Mann, der ihm gegenübersaß.
    »Warum wollen Sie mich sprechen?«, wiederholte er.
    »Das können Sie sich doch denken«, gab Michael Jackson brüsk zurück. »Es handelt sich um meinen armen verstorbenen Bruder.«
    Calgary antwortete nicht.
    Michael Jackson fuhr fort: »Ihre Aussagen können ihm nun nicht mehr nützen. Warum sind Sie erst jetzt mit der Wahrheit rausgerückt? Hatten Sie wirklich eine Gehirnerschütterung?«
    Calgary erklärte ihm geduldig die Zusammenhänge. Sonderbarerweise gefiel ihm die raue Art des jungen Burschen, der immerhin etwas für seinen unglücklichen Bruder zu empfinden schien.
    »Auf diese Weise hat Clark ein einwandfreies Alibi, nicht wahr? Aber sind Sie auch wirklich ganz sicher, dass Ihre Zeitangaben stimmen? Wissenschaftler sind oft etwas geistesabwesend.«
    »Sie irren sich, mein Lieber, wenn Sie mich für einen zerstreuten Professor halten. Sie können sich darauf verlassen, dass meine Zeitangaben korrekt sind. Ich habe Ihren Bruder kurz vor sieben mitgenommen, und er ist fünf Minuten nach halb acht in Drymouth aus meinem Auto gestiegen.«
    »Ihre Armbanduhr oder die Uhr in Ihrem Auto könnten falsch gegangen sein.«
    »Beide Uhren gingen richtig und stimmten genau überein.«
    »Vielleicht hat Clark Sie an der Nase herumgeführt; er hat die Leute ja immer gern auf den Arm genommen.«
    »Davon kann keine Rede sein. Warum wollen Sie mir unbedingt einreden, dass ich mich irre? Ich hatte erwartet, dass es nicht leicht sein würde, die Behörden davon zu überzeugen, dass sie einen Mann zu Unrecht verurteilt haben; auf die Ungläubigkeit seiner Familie war ich allerdings nicht gefasst.«
    »Sie fanden es also nicht leicht, uns zu überzeugen?«
    »Die Reaktion der Familie erschien mir ziemlich – sonderbar.«
    Micky sah ihn prüfend an.
    »Wollten sie Ihnen nicht glauben?«
    »Ich hatte fast den Eindruck.«
    »Und sie hatten Recht! Es ist letzten Endes auch ganz natürlich.«
    »Natürlich? Das verstehe ich nicht. Ihre Mutter wurde ermordet, Ihr Bruder des Verbrechens bezichtigt und verurteilt. Jetzt stellt sich heraus, dass er unschuldig ist. Sie sollten dankbar und glücklich sein – schließlich war er Ihr eigener Bruder!«
    »Er war nicht mein Bruder, und sie war nicht meine Mutter«, stellte Micky klar.
    »Was?«
    »Wussten Sie das nicht? Wir wurden alle adoptiert. Mary, meine älteste ›Schwester‹, in New York, wir anderen während des Krieges in England. Meine ›Mutter‹ konnte selbst keine Kinder kriegen, deshalb hat sie sich eine nette kleine Familie zusammenadoptiert – Mary, Tina, Clark, Hester und mich. Wir hatten ein behagliches, elegantes Heim plus einer gehörigen Portion Mutterliebe. Ich glaube, sie vergaß schließlich völlig, dass wir nicht ihre leiblichen Kinder waren. Nur mit Clark hat sie Pech gehabt.«
    »Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte Calgary ein wenig außer

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