Tödlicher Kick
erreichte die Treppe als Erste. Die Stufen knackten, als ich hinaufsprang.
Im ersten Stock stand eine VfL -Blau lackierte Tür offen. Mit einem Blick erfasste ich die Bettwäsche mit Fußball-Emblem und die postergroßen Fotos von Oran Mongabadhi an den Wänden. Hier war definitiv jemand noch nicht über die Trennung hinweg.
Das Mädchen lag auf dem Bett. Die Mutter schüttelte es an den Schultern, sodass sein Kopf in den Nacken kippte. Trotzdem blieb Sophie benommen.
Ich bemerkte eine Pappschachtel auf dem Nachttisch.
»Lass mich …«, lallte Sophie.
Ich trat neben das Bett und griff nach der unscheinbaren, orange-weißen Schachtel, aus der ein Streifen Plastik ragte.
Tabletten. Schlafmittel. Flurazepam.
Kannte ich.
Ich greife den antiken Metallknauf, ziehe die oberste Schublade der Schminkkommode auf. Die Pappschachteln und Fläschchen stehen sorgfältig sortiert in Reih und Glied. Neben drei Flaschen Sekt und einer Flasche Champagner. Ich krame und lese: Baldrian und Johanniskraut, Diazepam, Morphinpflaster und sogar Propofol, das mehr oder weniger versehentlich Michael Jackson gekillt hat und eigentlich nur bei Epilepsie verordnet wird. Wie ist sie denn da rangekommen? Egal. Wo ist es denn? Aha, Flurazepam. Wusste ich’s doch.
Danner griff nach der Schachtel in meiner Hand: »Was ist das für ein Zeug?«
Sophies Mutter ließ ihre Tochter zurück aufs Bett sinken.
»O Gott! Mein Schlafmittel!«
Auf diese Situation war sie definitiv nicht vorbereitet gewesen. Panisch hämmerte sie mit der Faust auf den Brustkorb des Mädchens ein. Es gab ein schreckliches, dumpf-hohles Geräusch.
Ich packte ihren Arm.
»Von dem Zeug stirbt man nicht«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Eine kalte Dusche und Ihre Tochter ist wieder fit.«
»Wirklich?«, wimmerte sie ungläubig.
»Garantiert«, versicherte ich.
Sophie hustete und fing im nächsten Moment bereits an zu kreischen: »Was soll das denn? Spinnt ihr? Das ist ja arschkalt!«
Danner hielt dem Mädchen den eisigen Wasserstrahl gleich noch einmal ins Genick.
Ich lehne bibbernd an der Wand, spüre die Fliesen im Rücken, den harten Wasserstrahl wie eine kalte Faust im Nacken. Ich bleibe eine Memme.
»Na bitte«, erklärte ich. »Schon ist sie wieder wie neu.«
Sophies blaue Augen starrten mich feindselig an. Sie war durchtrainiert, aber trotzdem feminin und hatte ein hübsches, ovales Gesicht. Und einen wirklich, wirklich bösen Blick.
Ich lächelte höflich.
Kurz darauf saß Sophie mit nassen Haaren und in einen Bademantel aus orangefarbenem Frottee gehüllt auf der Terrasse in der wärmenden Maisonne.
»Sie wissen also vom Tod Ihres Exfreundes«, begann Danner die Befragung gewohnt taktvoll.
Sophie bedachte nun ihn mit einem hasserfüllten Blick.
»Wie haben Sie davon erfahren? Wann? Und wo waren Sie heute Nacht?«
Sophie bemühte sich, Danner weiter wütend anzufunkeln, doch in ihren Augen stieg unaufhaltsam das Wasser.
Da Danners Rolle bei der bekannten Befragungsmethode ›Lieber Bulle – fieser Bulle‹ festgelegt war, blieb auch mir keine Wahl.
»Sie haben Oran beim Fußball kennengelernt?«, erkundigte ich mich sanft.
Sophies Blick heftete sich erleichtert an mich.
»Er war Ihr erster Freund?«
Sie nickte.
»Dietmar Wöhler sagt, Sie waren fast ein Jahr zusammen!?«
»Dreihundertsechzehn Tage.«
»Aha. Dann haben Sie bestimmt auch Orans Eltern kennengelernt, oder?«
»Klar.«
»Und? Hatten die was einzuwenden gegen Sie? Ich meine, als Freundin ihres Sohnes?«
Sophie runzelte verständnislos die Stirn. »Nö. Die mochten mich.«
Klar.
»Aber er hat mit Ihnen Schluss gemacht, als der VfL ihn unter Vertrag genommen hat und Sie nicht mehr in sein Leben passten? Eiskalt?«
»Nein!«, protestierte Sophie reflexartig.
Dann besann sie sich.
»Eigentlich doch«, gab sie zu. »Er hat immer gesagt, dass er alles tun würde, um beim VfL zu spielen. Er hatte wie ein Wahnsinniger dafür trainiert. Aber ich hab nicht geahnt, dass er damit auch eine Trennung von mir meinte. Eben haben wir noch bei Aldi Einkaufswagen geklaut …«
Sophies Mutter öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen. Mein warnender Blick ließ sie den Mund glücklicherweise wieder schließen.
»… und dann war er plötzlich mit dem Teambus ins Erzgebirge unterwegs, während ich in der Schule saß und Französischvokabeln paukte. Plötzlich sprach er nur noch über Trainingspläne und einen Leasingvertrag für einen BMW.«
»Und daraufhin hat er mit Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher