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Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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wenn Oran ein Mädchen gewesen wäre«, meinte Danner. »Ich würde nicht auf die Eltern wetten.«
    »Aber auf einen Teenie mit Liebeskummer, oder was?«
    Danner hielt mir herausfordernd die Hand hin.
    Ich zögerte skeptisch.
    »Wenn du falsch liegst, kochst du für mich«, schlug Danner vor.
    »Auch lebensmüde, hm?«, bemerkte ich, als ich seine Hand griff.

15.
    Ein Engel öffnete uns die Tür.
    Er trug ein weißes T-Shirt mit Spitzen am Ausschnitt, eine gut sitzende, helle Jeans und Schuhe mit Absatz. Dunkle Locken fielen dem Mädchen in ihre großen, traurigen Augen.
    Ein handgeknüpfter Wandteppich, der Spiegel mit Goldrand und der Geruch nach Thymian und Koriander bestätigten beim Betreten der Wohnung meine Vorstellungen einer traditionsbewussten, muslimischen Familie.
    Allerdings wollte die helle Jeans des Engels, der uns die Tür geöffnet hatte, nicht recht zu dem Teppich passen: Auf dem rechten Oberschenkel, von der Hüfte bis zum Knie, glitzerte ein Schriftzug aus Strasssteinen. Dolce & Gabbana . Und auch auf das ultimative Symbol der Frauenunterdrückung, das Kopftuch, verzichtete das Mädchen. Ihre lange, lockige Mähne hatte sie mit Haarspray auf Volumen gebracht. Die Wimperntusche war verlaufen. Kriminalkommissarin Wegner hatte der Familie eben erst die Nachricht vom Tod Oran Mongabadhis überbracht.
    »Wer ist da, Shirin?«
    Ein Mann mit grauem Schnurrbart, weißem Haar und Brille kam auf uns zu. Die Brille mit den runden Gläsern und dem dünnen Metallrahmen ließ ihn an einen Geschichtslehrer erinnern, doch seiner drahtig-sportlichen Figur nach handelte es sich um den Vater des toten Fußballers.
    »Ben Danner. Das ist meine Kollegin Lila Ziegler. Tut mir leid, dass wir Sie an diesem schlimmen Tag noch einmal belästigen müssen. Sie sind Oran Mongabadhis Vater?!«, begann Danner.
    »Anoush Mongabadhi«, nickte der Mann. »Das ist meine Tochter Shirin.«
    Die kleine Schwester des Toten.
    »Im Verlauf der Ermittlungen sind noch ein paar Fragen aufgetaucht, die die Kollegin Wegner bei ihrem Besuch eben noch nicht berücksichtigen konnte«, fuhr Danner fort.
    Anoush Mongabadhi winkte uns ins Wohnzimmer.
    Jetzt tauchte auch Oran Mongabadhis Mutter auf. Ich erkannte sie an ihrem Gesicht, ihr toter Sohn hatte es von ihr geerbt. Viel mehr als das Gesicht war von der Frau auch nicht zu erkennen, denn im Gegensatz zu ihrer halbwüchsigen Tochter war sie traditionell gekleidet. Ein eng um den Hals geschlungenes, buntes Kopftuch, ein langärmliger Pullover und ein bodenlanger Rock verbargen züchtig Körper und Haar.
    Mit wedelnden Handbewegungen scheuchte sie Shirin aus dem Zimmer.
    Das Wohnzimmer war der Versuch, zwei komplette Kulturen in einem mittelgroßen Raum unterzubringen. Der Flachbildfernseher stand auf einem praktischen Multimediatischchen, in dem eine teure HiFi-Anlage verstaut war. Daneben lehnten mehrere Teppichrollen an der Wand. Über dem Schreibtisch, auf dem ich drei Laptops zählte – unter anderem auch ein pinkfarbenes Gerät –, trockneten Kräuterbüschelchen an einer Wäscheleine. Die in ein überladenes Bücherregal eines skandinavischen Herstellers integrierte Glasvitrine war mit handbemalten Mokkatassen gefüllt.
    Der Vater ließ sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf einem dicken Kissen vor einem niedrigen Tischchen nieder. Er lud uns mit einem Handzeichen ein, uns ebenfalls zu setzen.
    Im Vorbeigehen musterte ich die Bücher im Regal. Bildbände über Iran, Irak, Arabien. Persische Geschichte. Orientalische Märchen neben – Goethe?
    Oh.
    Schiller, Lessing, Mann. Günther Grass’ Katz und Maus.
    Ich plumpste auf ein Sitzkissen neben Danner. Der versuchte noch immer, seine Beine zum Schneidersitz zu sortieren. Nach kurzem Bemühen gab er auf und stellte das rechte Bein auf, während er das linke anwinkelte.
    »Es werden nicht die letzten Fragen sein, die wir Ihnen im Laufe unserer Ermittlungen stellen müssen«, erklärte er. »Was halten Sie von Sophie Meister?«
    »Sophie? Sie ist ein sehr liebes, kluges Mädchen. Wir alle mögen sie. Eine Schande, dass Oran so respektlos mit ihr umgegangen ist.«
    Schande. Da war es ja schon, das böse Wort.
    Mongabadhis Mutter verharrte mit zusammengekniffenen Lippen neben der Tür.
    »Obwohl Sophie keine Muslima ist?«, erkundigte ich mich.
    Mongabadhi faltete bedächtig die Hände. »Ich lebe mit meiner Familie seit fünfundzwanzig Jahren in Deutschland, Frau Ziegler. Meine beiden Kinder sind hier geboren. Ich habe immer versucht,

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