Tödlicher Mittsommer
Dann war die Frau wieder zu hören.
»S / Y Svanen, vielen Dank für die Information. Wir werden der Sache sofort nachgehen. Danke für Ihre Hilfe.«
Der Mann drückte wieder den Sprechknopf. Er lächelte selbstzufrieden. Er hatte seine Bürgerpflicht getan.
»Verstanden. S / Y Svanen Ende.«
Der Mann schaltete das Funkgerät ab und hängte das Mikrofon zurück an seinen Platz. Er kletterte wieder nach oben ins Cockpit und schaute mit dem Fernglas hinüber nach Grönskär.
Die Flammen sahen jetzt kleiner aus, aber das bildete er sich vielleicht nur ein. Während er das Feuer meldete, waren sie ein ganzes Ende weitergesegelt. Grönskär lag bereits achteraus.
Er zuckte mit den Schultern.
Viel mehr konnte er unter den jetzigen Umständen nicht tun. Entweder ging das Feuer von allein aus, oder der Leuchtturm brannte ab. Aber wenn er fast drei Jahrhunderte überstanden hatte, musste er wohl ziemlich robust sein.
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Kapitel 77
Henrik war übel vor Sorge.
Als Arzt wusste er genau, wie Noras Körper reagierte, falls er zu viel Insulin bekommen hatte. Er versuchte sich einzureden, dass sie bestimmt genug gegessen hatte, um kein Risiko einzugehen, wo sie auch immer war.
Aber warum war sie nicht zu Hause? Und warum stand das Essen unberührt auf dem Tisch?
Er machte sich Vorwürfe wegen der Auseinandersetzungen der vergangenen Tage. Vierundzwanzig Stunden auf See hatten nichts an seiner Einstellung geändert, er war immer noch verärgert gewesen, als er an Land ging. Aber er hatte beschlossen, einen Schlussstrich unter die ganze Sache zu ziehen. Er hatte gesagt, was er davon hielt, und basta. Für ihn war das Thema erledigt.
Er konnte dieses Bedürfnis der Frauen, immer alles endlos zu diskutieren, einfach nicht verstehen. Besser, man kam zügig zum Punkt und traf eine Entscheidung. Und hielt sich anschließend daran.
Jetzt bereute er seine Kompromisslosigkeit bitter.
Er hatte Noras Gesicht vor Augen, an dem Tag, als Adam geboren wurde. Sie war so stolz gewesen. Völlig erschöpft natürlich, aber unbeschreiblich glücklich. Die Haare hatten ihr schweißnass an Wangen und Stirn geklebt, als sei sie einen Marathon gelaufen. Und das war sie ja auf gewisse Weise auch. Wie ein einziges großes Siegeszeichen hatte sie das Neugeborene an sich gedrückt und gestrahlt.
»Ist er nicht wunderbar?«, hatte sie gesagt. »Ist er nicht fantastisch? Unser Sohn!«
Henrik spürte einen seltsamen Geschmack im Mund. Eine Mischung aus Metall und Säure. Zuerst konnte er es nicht einordnen. Aber dann kam er darauf, was das war. Er hatte diesen Geschmack auf der Zunge gehabt, als Mats, sein bester Freund in Schülertagen, sich mit dem Fahrrad überschlug. Mats war mehrere Minuten bewusstlos gewesen, und Henrik hatte mehr Angst ausgestanden als je zuvor in seinem zwölfjährigen Leben.
Es war der Geschmack der Angst. Purer, blanker Angst.
Als er Signe vorhin untersuchte, hatte er schnell festgestellt, dass er nichts weiter für sie tun konnte, als auf den Rettungshubschrauber zu warten, der sie ins Krankenhaus bringen würde.
Jetzt war er wieder im Haus seiner Schwiegereltern. Thomas war ebenfalls zurück. Henrik schüttelte resigniert den Kopf und wandte sich an Thomas.
»Niemand scheint Nora gesehen zu haben. Es ist, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.«
Das durchdringende Klingeln eines Mobiltelefons ließ sie beide zusammenzucken. Es war Thomas’ Handy.
Thomas’ Stimme war kaum wiederzuerkennen, als er sich mit einem Räuspern meldete.
»Ja, Thomas.«
»Carina hier.«
»Was gibt’s?«
»Ich habe mit Stockholm Radio und der Seenotrettung gesprochen. Sie hatten nichts Außergewöhnliches vorliegen, nur die üblichen Zwischenfälle mit Betrunkenen.«
Sie schien eine Sekunde zu zögern.
»Aber Stockholm Radio sagt, ein Segler habe sie angefunkt und gemeldet, dass es im alten Leuchtturm auf Grönskär brennt. Sie haben versucht, den Betreuer des Leuchtturms zu erreichen, um nachzufragen, ob das stimmt, aber der hielt sich gerade auf einer anderen Insel auf. Jedenfalls ist er jetzt unterwegs nach Grönskär, um nach dem Rechten zu sehen. Ich weiß nicht, ob das wichtig ist. Aber du hast ja gesagt, dass ich dir jede Kleinigkeit melden soll. Und Grönskär ist ja nicht weit von Sandhamn.«
Thomas sah Henrik an.
»Im Leuchtturm Grönskär brennt es. Könnte sie dort sein?« Er drehte sich um und rief Noras Eltern zu: »Auf Grönskär ist ein Feuer ausgebrochen. Im Leuchtturm. Könnte das was mit Nora
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