Tödlicher Mittsommer
mit zufriedenem Lächeln.
Seine Frau lächelte zurück.
»Nein. Es ist richtig gemütlich.«
Der Mann kontrollierte wieder die Großschot.
Es ging ein leichter ablandiger Wind, kaum mehr als vier Meter pro Sekunde. Aber es reichte, damit das Boot eine gleichmäßige und passable Geschwindigkeit hielt.
Die Arcona war ein leichtgängiges Boot, das elegant und mühelos durchs Wasser schnitt. Das große Genua-Segel fing den schwachen Wind ein und nutzte die Brise effizient aus.
»Gib mir bitte mal die Seekarte«, sagte der Mann zu seiner Frau. »Wir müssten jeden Moment das Leuchtfeuer Revengegrundet erreichen.«
Die Frau stellte den Becher ab und holte die Seekarte hervor. Sie reichte sie ihrem Mann, der die Taschenlampe anknipste und die Karte eine Weile genau studierte. Dann gab er sie seiner Frau zurück.
»Wie ich mir gedacht habe. Wir sind genau da, wo wir sein sollen.«
Er zeigte schräg nach vorn, ohne den Kurs aus den Augen zu verlieren oder das Ruder loszulassen.
»Da drüben kannst du den alten Leuchtturm auf Grönskär sehen. Du weißt, der im achtzehnten Jahrhundert gebaut wurde, oder war es im neunzehnten?«
Er runzelte die Stirn und überlegte.
»Meinst du den, der ›Königin der Ostsee‹ genannt wird?«
»Genau den.«
Seine Frau drehte den Kopf und sah zu dem großen Leuchtturm hinüber. Sie reckte den Hals, um besser sehen zu können.
»Der leuchtet aber stark. Ich dachte, der ist gar nicht mehr in Betrieb?«
»Ist er auch nicht. Ich glaube, er wurde in den Sechzigerjahren stillgelegt.«
Die Frau verließ ihren bequemen Sitzplatz und schob die Luke zur Kajüte auf. Sie steckte den Kopf hinein und griff nach einem Fernglas, das an einem Haken gleich links neben der Treppe hing. Dann setzte sie sich wieder hin und zog das Fernglas aus dem Futteral.
»Weißt du was? Das sieht aus, als ob es im Leuchtturm brennt.«
Der Mann lachte.
»Was? Na, das bildest du dir wohl ein.«
»Dann schau doch selbst!«
Mit gekränkter Miene reichte sie ihm das Fernglas. Ihr Mann nahm es mit einer Hand entgegen, setzte es an die Augen, ohne das Ruder loszulassen, und pfiff durch die Zähne.
»Ja, hol mich der Teufel, du hast recht. Der alte Turm brennt tatsächlich.«
»Sag ich doch. Aber mir glaubst du ja nicht.« Sie lehnte sich triumphierend zurück.
»Scheint, als müssten wir den Seenotrettungsdienst alarmieren«, sagte der Mann und blickte sicherheitshalber noch mal durchs Glas.
»Den Seenotrettungsdienst?«
»Wir können doch den Leuchtturm nicht abbrennen lassen. Vielleicht weiß gar keiner, dass es dort brennt. Ist ja nicht gesagt, dass dort draußen noch jemand wohnt.«
»Können wir nicht einfach 112 rufen?«
Der Mann warf seiner Frau einen mitleidigen Blick zu.
»Schatz, wir sind auf See. Da ruft man den Seenotrettungsdienst.«
Seine Frau sah ihn an, sagte aber nichts mehr. Er winkte sie ins hintere Ende des Cockpits.
»Du musst das Ruder halten, während ich Stockholm Radio rufe.«
Sie nahm seinen Platz ein, und der Mann stieg rasch in die Kajüte hinunter.
Das VHF – Funkgerät hing gleich links an der Wand. Der Mann drückte den Einschaltknopf und stellte den Kanal ein. Sofort erfüllte ein Rauschen die Kabine, ein Knacken und Knistern kam aus dem Äther.
Der Mann griff nach dem Mikrofon und hielt es dicht vor den Mund.
»Stockholm Radio, Stockholm Radio, Stockholm Radio, hier ist S / Y Svanen, bitte melden.«
Er wiederholte den Ruf einige Male. Es knisterte im Funkgerät, und plötzlich meldete sich eine weibliche Stimme.
»S / Y Svanen, S / Y Svanen, S / Y Svanen, Stockholm Radio hört. Was gibt’s?«
»Wir befinden uns unmittelbar vor Grönskär nordöstlich von Sandhamn. Ich möchte melden, dass es im Leuchtturm offenbar brennt, ganz oben im Turm.«
»S / Y Svanen, bitte wiederholen. Wir empfangen Sie schlecht.«
»Ich sagte, es brennt im Leuchtturm Grönskär. Ich wiederhole, es brennt im Leuchtturm Grönskär.«
Er gab sich Mühe, deutlich zu sprechen.
»S / Y Svanen, sind Sie sicher?«
Die weibliche Stimme klang unschlüssig, so als wüsste die Frau nicht recht, was sie von dieser Information halten sollte.
»Absolut. Wir haben ein Fernglas an Bord. Ich kann die Flammen oben im Turm erkennen.«
»Sind Menschen zu sehen?«
»Negativ. Da draußen scheint niemand zu sein. Das Einzige, was ich sehen kann, sind Flammen in der Laternenkuppel.«
Die weibliche Stimme schwieg ein paar Sekunden, während das Rauschen zunahm.
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