Tödlicher Puppenzauber
macht mich unruhig.« Sie strich einige Haare zurück und schaute mich an.
Ich ahnte, was in ihrem Kopf vorging und hob die Schultern. »Ich glaube nicht, Jessica, daß ich Ihnen in dieser Lage helfen kann. Vielleicht nehmen Sie besser für die nächsten Nächte ein Hotelzimmer, damit Sie niemand findet.«
»Ich soll hier ausziehen?«
»Es ist ja nicht für immer.«
»Nein, John, bitte nicht. Ich kann nicht einfach alles zurücklassen. Ich fühle mich hier wohl.«
»Das verstehe ich. Nur könnten Sie sich in Lebensgefahr befinden, Jessica.«
Sie lächelte mich an. »Wissen Sie, John, es ist komisch. Wir haben uns erst zweimal gesehen. Beide Male ging es um Kopf und Kragen, schwebten wir in Gefahr. Ziehen Sie die an wie ein Magnet?«
»Manchmal glaube ich das sogar. Ich habe einen verdammt gefährlichen Job. Vielleicht kommt es daher.«
»Das kann ich mir denken. Dennoch möchte ich hier nicht weg.« Sie lächelte weich. »Es gibt noch eine andere Alternative. Die wäre mir persönlich lieber.«
Da ich über andere Dinge nachdachte, schaltete ich nicht sofort und fragte: »Welche denn?«
Jessica kam nahe an mich heran. In Brusthöhe fuhr sie mit den Fingern über den Stoff des Hemdes. »Ganz einfach, John. Sie bleiben in der folgenden Nacht bei mir und beschützen mich weiter.«
Jessica war ziemlich groß, deshalb konnte ich leicht in ihr Gesicht schauen, ohne den Blick erst weit senken zu müssen. Ihre Augen glänzten, die Linien des Gesichts mit der blassen Haut kamen mir noch weicher vor als sonst. Sie fühlte sich in diesen Augenblicken ganz als Frau und ließ ihre warmen Handflächen auch auf meiner Brust liegen. Nur bewegte sie dabei ihre Fingerspitzen, was auch mich nicht kaltließ und bei mir ebenfalls Schauer verursachte.
»Nun, John?«
»Der Vorschlag ist nicht schlecht, Jessica…«
»Aber?«
»Genau, jetzt kommt es. Ich kann es nicht. Es gibt Menschen, die haben an manchen Tagen leider keinen Feierabend. Dazu gehöre ich heute. Es hat vier Morde gegeben, die aufgeklärt werden müssen. Da kann jede Minute oder jede Sekunde kostbar sein.«
Ihre Hände lösten sich. Dann nickte sie langsam. »Klar, ich verstehe dich sehr gut, John. Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. So heißt es doch, nicht?«
»Ja.«
Jessica trat zur Seite und schaute auf ihre künstlerischen Arbeiten. Sie blies die Kerzenflammen aus, richtete sich wieder auf und sprach gegen die Fensterschräge: »Manchmal bin ich froh, daß ich hier allein leben und niemandem gegenüber verantwortlich sein muß. Es gibt allerdings auch Tage, da könnte ich heulen vor Wut, weil ich eben so allein bin. Okay, ich hätte mindestens fünfmal heiraten können, aber diese Männer waren nicht die richtigen.«
»Ich bin es auch nicht, Jessica. Meinen Beruf kann und darf ich keiner Frau zumuten. Sie kann von einem auf den anderen Tag Witwe werden.«
»Das können andere Frauen auch. Stellen Sie sich vor, John, es würde jeder so denken.«
»Das wäre fatal. Nur verhält es sich bei mir anders. Die meisten Männer arbeiten nicht in dem Job wie ich. Das ist der große Unterschied.«
»Genau, das ist es.« Jessica drehte sich wieder um und verließ das Atelier. Sie ging in ihren Wohnraum, blieb neben einem Sessel stehen und legte die Hand auf die Rückenlehne. »Ich habe mich entschlossen, hierin meiner Wohnung zu bleiben, John. Ich glaube einfach nicht, daß man mich wollte. Sie sind, Sie waren der Feind, ich nur die Beigabe. Ich glaube auch kaum, daß sie auf mich geschossen hätte. Wenn Sie gehen, John«, sagte sie kratzig, »werde ich meinen Frieden haben.« Sie schluckte. »Hört sich verdammt komisch an, nicht?«
»Jessica.« Ich ging auf sie zu und legte meine Hände auf die Schultern.
»So dürfen Sie nicht denken.«
Die Künstlerin nickte krampfhaft, ohne mich dabei anzusehen. »Ich weiß es doch, ich weiß es genau. Aber ich… ich… kann eben nicht anders. Es hat mich urplötzlich überfallen. Das ist wie ein Wirbelsturm gewesen. Auf einmal war alles anders. Lust und Leid liegen dicht zusammen. Künstlerisch veranlagte Menschen sind äußerst sensibel. Ich bilde da keine Ausnahme. Noch vor einer halben Stunde hätte ich jubeln können. Im Augenblick habe ich das Gefühl, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Ich schwebe mal wieder in einem luftleeren Kaum.«
»Ich habe Ihnen versprochen, daß ich zurückkehren werde, wenn alles vorbei ist.«
»Und Sie noch leben, John.«
»Auch das.«
»Tja, dann
Weitere Kostenlose Bücher