Tödlicher Puppenzauber
nicht.
Typen dieser Sorte hatte ich schon oft genug bei brandaktuellen TVReportagen erlebt. So verkleideten oder maskierten sich Bankräuber oder andere Schwerverbrecher. Dieser Kerl bedrohte mich, was mir verdammt schwer im Magen lag. Er roch nach Schweiß und schien stark unter Druck zu stehen. Wenn ich mich falsch bewegte, würde er abdrücken, deshalb blieb ich steif wie ein Brett liegen und versuchte nur, an ihm vorbei auf Jessica zu schielen, konnte aber nichts erkennen, weil seine breiten Schultern mein Blickfeld nahmen.
Blitzschnell hatte er mich mit der freien Hand abgetastet und zwei Waffen gefunden.
Die Beretta und den Dolch war ich los. Er ließ sie in seiner Außentasche verschwinden.
»Was ist los?« keuchte ich. »Was wollen Sie hier?«
»Halt nur dein Maul, Bullenschwein. Wenn ich abdrücke, fehlt dir die Hälfte von deinem Kopf.«
Ich konnte sprechen, da er den Waffenlauf zurückgezogen hatte und nun auf meine Stirn zielte. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich Ihnen auf die Füße getreten bin, und die Frau erst recht nicht. Laß sie laufen, Mann.«
Er lachte nur und stand auf.
Ich war froh, den Druck seines Körpers nicht mehr zu spüren, bekam einen freien Blick und konnte Jessica Long erkennen, die sich in einer verdammt miesen Lage befand.
Sie waren zu zweit gekommen. Der andere Kerl trug eine Gesichtsmaske aus rotem Stoff. Auch in diese Mütze waren drei Löcher geschnitten worden. Er genoß seine überlegene Haltung. Jessica kniete vor ihm. Bestimmt nicht freiwillig, denn er hielt ihre Haare hoch und mit der linken Hand umklammert. Die rechte brauchte er für seine Waffe, deren Mündung schräg nach unten und damit auf den Kopf der Frau wies.
Jessica war noch blasser geworden.
Ich haßte ihre demütige Haltung. Sie hielt die Augen verdreht, als wollte sie sich das Muster der Decke genau ansehen.
Die Tür war wieder ins Schloß gefallen, und ich fragte mich, was die Kerle vorhatten.
Zunächst kümmerte sich der Mann mit der roten Strumpfmaske um Jessica. Er zerrte sie hoch, drückte ihr die Mündung gegen den Hals und begann zischend zu sprechen. »Du wirst dich nicht rühren. Du wirst nicht schreien und nicht toben. Sonst bist du sofort tot.«
»Ja, ja…«
»Gut, komm mit. Dreh dich um.«
Ich verfolgte den Weg der beiden. Jessica warf mir noch einen verzweifelten Blick zu, als sie zu einem der Stützpfosten geführt wurde und sich mit dem Rücken gegen das Holz pressen mußte. Der Killer holte eine Handschelle hervor. Als Jessica ihre Arme seitlich am Pfosten und nach hinten geschoben hatte, klickten die beiden eisernen Ringe um die Gelenke. Die Art und Weise, einen Menschen so außer Gefecht zu setzen, war einfach, aber wirkungsvoll.
Ich war gespannt, was sie mit mir vorhatten. Blaumaske bedrohte mich mit seiner Waffe, der andere ging zur Tür und riß sie auf. »Du kannst kommen, Bing!«
Und Bing kam. Ich hatte gestutzt, als ich den Namen hörte. Bing? Der kam mir bekannt vor.
Ich schaute Jessica an und sah den Schrecken und die Überraschung auf ihrem Gesicht. Auch sie kannte die Gestalt, die ihre Wohnung betrat, und ich wußte plötzlich, daß ich den Namen von ihr gehört hatte. Dieser Bing mußte ein Puppenmacher oder ein Sammler sein. Sehr sorgfältig schloß er die Tür und blieb einen Schritt davor stehen, um sich umzuschauen.
Er war eine Type, wie man sie selten findet. Dunkel gekleidet, mit wenigen Haaren, relativ kleinen Händen, deren Finger leicht gekrümmt waren, und einem Kopf, der schon dem einer Puppe ähnelte. Er kam mir jedenfalls ziemlich groß vor, mit einer glatten Gesichtshaut und einem Mund, der etwas Schnutenhaftes an sich hatte. So ähnlich waren auch die Münder der meisten Puppen geformt. Die Augen wirkten ebenfalls wie die einer Puppe. Die im dunklen Braun schimmernden Pupillen kamen mir künstlich vor.
Ich sprach ihn nicht an, das übernahm Jessica. Sie hauchte ihm die Worte entgegen. »Mr. Bing - Sie?«
Er ging etwas vor. Über seine Schritte wunderte ich mich. Sie glichen steifen, leicht roboterhaften Bewegungen und waren auch irgendwo watschelnd.
In Jessicas Höhe blieb erstehen. »Ja, ich bin es. Damit haben Sie nicht gerechnet?«
»Nein.«
Er nickte. Da er kleiner war als Jessica, mußte er zu ihr hochschauen.
»Sie wissen, daß ich Sie mag, Miß Long. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Ich finde es sehr schade für Sie, daß Sie sich ausgerechnet mit Sinclair abgegeben haben.«
»Wieso?«
»Er ist mein Feind. Seine
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