Tödlicher Puppenzauber
Streifen.
Bing kümmerte sich wieder um die Stilleben. Er kommentierte die Werke, lobte sie und machte sie nieder. Dann fragte er: »Wo hat denn meine kleine Puppe gestanden, die ich euch schickte?«
»Bei der Zauberin!« flüsterte Jessica.
»Ah ja.« Er schaute hin und schüttelte den Kopf. »Manchmal handeln Menschen eben falsch, als wollten sie ihr Leben einfach wegwerfen.« Er räusperte sich. »Ich kann es nicht verstehen. Ihr hättet euch da raushalten sollen.«
Ich meldete mich wieder. »Darf ich Sie etwas fragen, Bing?«
»Bitte.«
»Woher wußten Sie, daß ich mich hier aufhalte?«
Er lachte amüsiert auf. »Woher ich das wußte? Es ist alles so einfach. Man braucht nur die richtigen Drähte zu haben. Ich wußte immer, was Sie unternahmen, Sinclair. Übrigens habe ich von Ihrem chinesischen Freund Besuch bekommen. Ich muß zugeben, daß er mich sehr schnell gefunden hat. Damit konnte ich nicht rechnen. Er wird mich jetzt noch suchen, falls ihn nicht die Kugeln erwischt haben. Ja, ja«, sagte er und nickte.
»Das Leben geht oft seltsame Wege, glauben Sie mir. Und die Puppen gehören zu meinem Leben.«
»Sie sind nicht normal, das wissen wir. Was, Mr. Bing, haben Sie mit ihnen gemacht?«
Er schaute nachdenklich zu mir herüber, hob einen Arm und kratzte leicht über seine rechte Wange. »Was ich mit ihnen gemacht habe? Nicht viel, ich habe sie nur innerlich verändert, das ist alles. Viele Menschen sind davon überzeugt, daß Puppen nicht nur tote Wesen sind. Daß sie manchen zweibeinigen Lebewesen ähneln. Diese Theorie habe ich in die Tat umgesetzt.«
»Mit Schwarzer Magie?«
»Richtig. Ich kannte mich aus. Sie wissen, daß ich aus einem Land stamme, wo man gewisse Dinge anders sieht. Man glaubte den Kräften der Natur mehr, man hat sich bei uns immer an die Vergangenheit erinnert und deren Leben. Es gab im Orient sehr gute Puppenmacher, die Magie in den Händen hatten. Ich habe bei einem alten Meister gelernt, der mich vor seinem Tode in die Geheimnisse der Dschinn-Beschwörungen einweihte. Denn nur die Dschinns sind in der Lage, den Puppen das Leben einzuhauchen. Erst wenn sie bereit sind, geht alles seinen Weg. Der alte Meister wußte genau, was er tat. Ich war lange bei ihm, sehr lange sogar. Nach seinem Tod ging ich in die Welt und bekam auch Kontakt zu Gruppen, die Menschen ebenfalls haßten. Wir taten uns zusammen, kamen nach England, denn hier fanden wir Unterstützung.«
»Durch wen?«
»Freunde, Sinclair.«
»Auch Araber?«
»Nein, aber das braucht dich nicht mehr zu interessieren.« Er drehte sich um.
Seine Worte, besonders die letzten, hatten mich nachdenklich gemacht. Unterstützung hatten die Killer in London bekommen. Wer aber hatte sich auf ihre Seite gestellt? Die letzten Ausführungen waren rätselhaft gewesen.
Ein Verräter im eigenen Lager? Dieser Gedanke kam mir immer wahrscheinlicher vor.
Ich wartete auf Bings weitere Aktivitäten. Noch schritt er durch das Atelier, schaute sich alles genau an und machte den Lindruck eines Mannes, der viel Zeit besaß.
Schließlich blieb er stehen, legte seinen Kopf zurück und schaute gegen das schräge Glasdach. »Ich möchte, daß hier im Atelier das Licht gelöscht wird.«
Diesmal bewegte sich Rotmaske. Der Mann ging zu den Schaltern. Im Atelier wurde es dunkel, bis auf die vereinzelt angebrachten Strahler, die gegen die Stillleben leuchteten.
»Sollen die restlichen auch aus?«
»Nein, laß es. Das hier reicht mir, mein Freund. Ich bin sehr zufrieden.«
Er rieb seine Hände, ohne die Finger zu strecken. Sie blieben gekrümmt. Ich fing Jessicas Blick auf und sah, daß sie ihre Schultern hob. Line Geste der Verlegenheit, der Ohnmacht und Verzweiflung. Wir beide waren einfach zu schwach, um gegen diese starke Übermacht anzukommen. Der Puppenmacher war zufrieden. Sein Nicken zeigte dies an. Er sprach zu uns. »Ich spüre, daß sie gleich kommen werden, deshalb werden wir ihnen den Weg freimachen. Mach du das, Beta.«
Er hatte den Mann mit der roten Maske angesprochen. Geschickt gemacht, einen Tarn-oder Kampfnamen zu benutzen. Mr. Bing ging kein Risiko ein.
Beta verließ seinen Platz und bekam von Bing die entsprechenden Befehle. Er mußte mehrere der Rechtecke so kippen, daß ein Spalt entstand, der sich nach oben hin vergrößerte. Der Platz war breit genug, um auch eine Puppe hindurchzulassen.
»Es reicht«, sagte Bing, als drei Fenster gekippt waren. »Mehr brauchen wir nicht. Geh wieder zu ihr.«
Beta gehorchte.
Ich
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