Tödlicher Puppenzauber
irgendeinen Plan verfolgen. Er hob jetzt den rechten Arm und deutete mit einem Halbkreis auf das Stilleben, das Clarissa auf eine unnachahmliche Art und Weise in dem Atelier aufgebaut hatte. Die Puppen gehorchten. Es gab keine, die sich ausschloß. Und sie fingen an, die Dinge zu zerstören. Mit ihren Waffen, den Messern und Stöcken hackten sie.
Keine von ihnen sprach dabei ein Wort. Nur das Krachen der in Stücke fallenden Körper war zu hören. Sie zerhämmerten die Puppen voller Wut und Haß. Keine blieb verschont, und sie machten sich auch an den anderen Aufbauten zu schaffen.
Brutal droschen sie zu. Ihre Arme und Hände arbeiteten wie kleine Dreschflegel. Es gab nichts, was sich vor ihren Waffen hätte in Sicherheit bringen können.
Zu zweit schlugen sie auf die Domina ein, wobei sie auch nicht deren Opfer vergaßen, die Fessel mit den Messern traktierten und diese singend zerspringen ließen.
Ich wollte nicht hinschauen und sah auf Clarissa.
Sie war noch blasser geworden. Ihre Wangen zuckten ebenso wie der schöne Mund.
Die Frau weinte nicht laut, sie litt still. Das wiederum versetzte mir diese Stiche.
Und die grausamen Puppen setzten ihr Zerstörungswerk unbeirrt fort, wobei ihnen Mr. Bing noch zur Seite stand. Was sie nicht klein bekamen, das zerdrückte er durch kräftige und wütende Tritte. Ich fragte nicht nach dem Grund für die Zerstörungswut. Wahrscheinlich brauchte er es für sein Image und weil er keine anderen Götter neben sich dulden wollte.
Wie ein siegreicher lyrann stand er schließlich inmitten des Chaos. »Ich bin der Herrscher!« brüllte er. »Nur meine Puppen zählen und nichts anderes. Nur meine Puppen! Habt ihres gehört, ihr verfluchten Ignoranten? Nur meine Puppen!« Er schaute sich um. Seine beiden Leibwächter standen regungslos und schauten ohne Teilnahme zu.
Bing aber entdeckte einen Rest, der seinen Tritten noch nicht zum Opfer gefallen war. Es war eine kleine Puppe mit babyhaftem Aussehen, einem runden Gesicht und einem Kleid, dessen Rock schwang, als würde der Saum von einem Reif gehalten.
Mit einem gewaltigen Satz sprang er hin - und trat zu. Er zerhämmerte die Puppe mit seinem Absatz. Kopf und Körper splitterten mit knackenden Geräuschen. Aus — vorbei!
Auf der Stelle drehte sich Mr. Bing. Noch die Reste der Puppe unter seinen Sohlen, die knirschten wie dünnes Glas, wenn es vollständig zerstampft wurde.
Die Arme hatte er angehoben und angewinkelt. Er bewegte seine Finger, die weiterhin gekrümmt waren und mit den Spitzen nach unten zeigten. Mir kam er vor wie ein Dirigent, der anfangen möchte, aber seinen Taktstock vergessen hat.
Jessica Long hielt den Kopf gesenkt. Sie hatte die ganze Zeit über nicht hinschauen wollen und alles nur akustisch mitbekommen. Da ihre Hände gefesselt waren, hatte sie sich nicht die Ohren zuhalten können. Sie litt, das war ihr anzusehen.
Bing aber fühlte sich wohl. Aus dem Schlachtfeld erhob er sich wie Phönix aus der Asche. Er drehte den Kopf, und ich bekam mit, daß er seinen Körper nicht mitdrehte.
Mir wurde der Magen eng, kalt rann es meinen Rücken hinab. Ein Mensch drehte seinen Schädel, als würde er auf einem Gelenk sitzen. Das hatte ich noch nie erlebt.
Mein Blick schweifte zu Jessica hinüber. Auch sie schaute fassungslos auf Bing. Sie war ebenfalls überrascht worden. War er nun ein Mensch, oder war er es nicht?
Die beiden Killer rührten sich nicht. Anscheinend waren sie diese Dinge gewohnt.
Mr. Bing machte nach dem Rundblick einen zufriedenen Eindruck. Der schnutenhafte Mund zeigte ein Lächeln, in den Augen lag ein matter Glanz. Breitbeinig hatte er sich hingestellt und veränderte diese Haltung auch nicht, als er in die Hocke ging und die Arme ausstreckte. Er bewegte sich nach vorn, zur Seite und streichelte die Köpfe seiner Puppen. Auf mich wirkte es wie inszeniert. Der noch sanfte Beginn eines Finales, das mit dem Tod der Hauptpersonen endete. Ich stand auf der Liste an erster Stelle und grübelte, wie ich aus dieser Klemme herauskam. Eine Lösung fand ich nicht.
Die beiden Killer waren knallharte Schurken. Gnade kannten sie nicht. Als Hintergrund-Sicherung würden sie zuschauen, wenn man zu töten versuchte.
In meinem Mund breitete sich eine Wüste aus, so trocken war er geworden. Ich hätte gern einen Schluck getrunken, wagte jedoch nicht, Bing danach zu fragen.
Er richtete sich wieder auf. Der Blick seiner runden Augen traf mich allein. »Jetzt, Bulle, werde ich mit meinen Puppen kommen und
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