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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dorot.«
    »Ich bin Wladimir Leonidowitsch Anassimow.«
    »Mein Gott, wer soll so einen Namen behalten!« Sie lachte und trank durch den Strohhalm einen kräftigen Schluck aus dem eben servierten Cocktailglas. Anassimow sah sie fasziniert an: Sie trinkt es wie Himbeerwasser! Als Säufer kann man diese Leistung wertschätzen. Welch eine Frau! Wenn sie im Bett genauso scharf ist wie ihre Cocktails, dann war Loretta Dunkun in Kabine 017 nur fade Limonade.
    »Kürzen wir ihn ab, Mrs. Dorot.« Anassimow machte auf dem Barhocker eine kleine Verbeugung. »Nennen Sie mich so, wie mich meine Freunde rufen: Wladi …«
    »Das klingt, als ob man einen Hund lockt …«
    Jetzt! Anassimow griff zu seinem Glas und kippte den Rest in einem Zug hinunter. Wieder wurde sein Gesicht rot, und er hatte das Gefühl, Feuer geschluckt zu haben. Jetzt!
    »Ich wünschte, ich wäre ein Hund …«
    »Aber nein!«
    »Ein Schoßhund bei Ihnen … Sagen Sie Wladi zu mir, und ich wedele mit dem Schwanz …«
    »Darauf möchte ich es nicht ankommen lassen!« Jermila blinzelte ihn an. »Was führt Sie nach Israel?«
    »Ein Zufall. Ich wollte mit dem Schiff nach Alexandria. In Haifa steige ich aus, sehe mir die Stadt an, trinke etwas zuviel … und verpasse das Schiff. Eine einfache Geschichte.«
    »Das kann man wohl sagen!« Jermila lachte herzhaft. »Und nun?«
    »Ich habe beschlossen, noch ein paar Tage in Tel Aviv zu bleiben und dann zurückzufliegen.«
    »Nach Rußland?«
    »Ja. Nach Moskau.«
    »Und dort warten Frau und Kinder.«
    »Ich bin nicht verheiratet.« Anassimow winkte zu Botha hinüber. Noch ein Glas Höllensaft! »Und Sie?«
    »Ich habe eine Modeboutique in Tel Aviv. Ich entwerfe meine Kollektion selbst. Aber ich wohne außerhalb der Stadt in einem schönen, kleinen Haus. Ich liebe die Stille, den Wind, die treibenden Wolken, den Blick in die Unendlichkeit …«
    »Wie ich! Wie ich!« Anassimow ergriff plötzlich ihre Hand und küßte sie. »Verzeihen Sie mir meinen Ausbruch, bitte! Ich habe einen Onkel in Sibirien … und immer, wenn ich ihn besuche – er hat eine Datscha in der Taiga –, liege ich im Gras und starre hinauf in den weiten Himmel, und ich winke den Wolken zu, höre das Atmen der Natur in jedem Vogelgezwitscher und sauge die Luft ein wie ein betäubendes Gas …«
    »Sie sind ja ein Lyriker, Wladi …«
    »Danke.«
    »Wofür?«
    »Sie haben mich zum ersten Mal Wladi genannt.«
    »Oh! Habe ich das? Das war unbewußt.«
    »Bleiben Sie dabei, Jermila? Darf ich Jermila sagen?«
    »Ich habe nichts dagegen.«
    »Und noch eine Frage: Darf ich Ihr kleines Paradies sehen? Ihre Taiga …«
    »Eigentlich nicht.«
    »Eigentlich läßt Hoffnung aufkeimen.«
    »Ich habe selten Besuch, sehr selten. Ich bin gern allein.«
    »Machen Sie eine Ausnahme und einem kleinen Russen ein Geschenk. Bitte. Sie lieben den Wind, der die Wolken am Himmel vorantreibt … ich liebe den Wind, wenn er in den Wäldern singt. Ich verspreche Ihnen, Ihre geliebte Stille nicht zu stören.«
    Sie saßen zwei Stunden lang an der Bar und tranken noch zwei Cocktails. Jermila überstand sie, ohne Wirkung zu zeigen, Anassimow dagegen sah die Zeit gekommen, in sein Appartement zu wanken. Er hatte Angst vor dem fünften Höllentrank und wollte nicht vor Jermila vom Barhocker fallen.
    »Sehen wir uns morgen wieder?« fragte er mit schwerer Zunge.
    »Ich habe es mir überlegt.« Jermila strich ihm über das Gesicht. »Wir fahren morgen zu meinem Haus.«
    »Sie sind eine wundervolle Frau, Jermila. Wladi wird morgen auf Sie warten.«
    »Um zehn Uhr hole ich Sie ab.«
    »Das Hündchen wird ganz zahm sein.«
    Er beugte sich über ihre Hand, küßte sie, rutschte dann vom Hocker und verließ, schwankend wie ein Seemann bei rauher See, die Bar.
    Nathan Rishon kam zu Jermila hinüber. Er hatte die ganze Zeit an der Theke gesessen und fünf Bier getrunken.
    »Alles in Ordnung?« fragte er.
    »Wir fahren morgen in mein Haus. Für Sie war es langweilig, nicht wahr?«
    »Ich habe jetzt einen Bierbauch!« Rishon zog die Brauen zusammen. »Ich werde Silberstein erklären, daß es eine Frechheit ist, mir an der Bar nur Bier zu genehmigen. So arm ist unser Staat nicht! Also morgen. Ich fahre voraus. Wenn es kritisch wird, schlagen Sie eine Scheibe ein. Ich bin dann sofort bei Ihnen. Bis morgen also.«
    Er verließ die Bar. Jermila unterschrieb die Rechnung, die Botha ihr vorlegte. Dann verließ auch sie das Hotel König David, ging zu einem japanischen Wagen und fuhr davon.

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