Tödlicher Staub
Natürlich hatte sie eine Wohnung in Tel Aviv und auch einen Hund, der auf sie wartete.
Nur hieß er nicht Wladi – so kann man Dackel nennen –, sondern Bobo und war ein eleganter Afghane.
Pünktlich um zehn Uhr am nächsten Vormittag betrat Jermila die Hotelhalle. Sie trug ein schlichtes, weißes Kleid, das elegant hätte sein können, wenn es nicht extrem kurz gewesen wäre. Man sah ihre langen schlanken Beine, die durch die hochhackigen Schuhe noch länger wirkten – ein anregender Anblick.
Anassimow wartete in der Halle. Sein Gesicht war etwas aufgedunsen, denn die höllischen Cocktails kreisten noch in ihm. Um so mehr wunderte er sich über Jermila. Wie macht sie das bloß, dachte er, als er sie in die Halle hereintrippeln sah. Sie sieht aus wie die ewige Jugend, wie einem Verjüngungsbad entstiegen, so taufrisch und fröhlich, daß es schon eine Provokation ist. Ich alter Säufer wirke dagegen wie ein zerknitterter Sack. Verdammt, wie kann eine Frau soviel schlucken, ohne eine Reaktion zu zeigen!
Er ging ihr entgegen, versuchte ein kurzes Bellen und sagte:
»Wladi begrüßt Frauchen …«
Jermila lachte. Sie hatte Bobos Leine mitgebracht und hielt sie jetzt hoch. Anassimow zuckte zusammen. Er streckte den Kopf vor und sagte:
»Wenn Sie Wladi anbinden wollen … er ist bereit. Er ist für alles bereit.«
»Die Leine ist für unartige Hunde. Ich zeige sie Ihnen nur zur Sicherheit.«
»Ich gehorche Ihnen aufs Wort.«
»Kommen Sie.«
Sie gingen zu Jermilas Auto, stiegen ein und sahen sich an. Anassimow atmete schwerer.
»Wie lange fahren wir?« fragte er.
»Drei Stunden.«
»So lange?«
»Mein Haus liegt in einer Wüstenoase …«
»Wüste …?«
»Ja. In einem Kibbuz. Er heißt ›Shalom‹.«
Kibbuz. Anassimow kaute an seiner Unterlippe. Für ihn war das Wort Kibbuz zu einem Reizwort geworden. Die Tage im Haus des MOSSAD hingen ihm noch in den Knochen. Die pausenlosen Verhöre, Tag und Nacht die gleichen Fragen, das heiße, karg eingerichtete Zimmer … er hatte sich vorgenommen, das Wort Kibbuz zu hassen. Und nun wohnte diese wundervolle Frau ausgerechnet in einem Kibbuz! Das Schicksal kann wirklich pervers sein.
»Wie kommen Sie dazu, ausgerechnet in einem Kibbuz zu wohnen?« fragte er.
»Die Stille … die Wüste … der Frieden. Darum heißt der Kibbuz auch ›Shalom‹. Das ist der Boden unserer Ahnen, das Land Abrahams. Aber das verstehen Sie als Russe nicht. Ich nehme an, Sie wurden gottlos erzogen. Fahren wir …«
Als sie Tel Aviv verlassen hatten und von dem blühenden Küstenstreifen weg ins Landesinnere fuhren und die Sandwüste erreichten, hatte Anassimow bereits seine linke Hand auf Jermilas Oberschenkel liegen. Daß sie ihn nicht abwehrte, deutete er dahingehend, daß es ihr nicht unangenehm war, von ihm berührt zu werden. Innerlich schwelgte er bereits bei dem Gedanken, ihren schlanken Körper in seinen Armen zu halten und ihr lustvolles Stöhnen zu hören und von ihren langen Beinen umklammert zu werden. Der Gedanke nahm so fest von ihm Besitz, daß er versucht war, sie aus dem Wagen zu zerren und gleich neben dem Auto in den heißen Wüstensand zu drücken. Das wäre etwas Neues für ihn gewesen – er hatte mit Frauen schon viele Situationen erlebt, aber im Wüstenstand hatte er es noch nicht getan.
Während der Fahrt durch die heiße Landschaft sprachen sie nur wenig miteinander. Anassimow linke Hand streichelte ab und zu Jermilas Oberschenkel, glitt höher und verhielt am Rand ihres Slips, weiter wagte er sich nicht. Er dachte an Loretta Dunkun und an ihre gemeine Reaktion, als alles vorbei gewesen war. Damit hatte ja alles angefangen, und niemals hätte irgend jemand das Plutonium entdeckt, wenn der Ausflug ins Bett der Kabine 017 nicht stattgefunden hätte. Bis zu dieser Stunde wußte Anassimow noch nicht, wie er Sybin das alles erklären sollte, wenn es überhaupt möglich war, den Verlust von zweihundert Gramm Plutonium als Unfall darzustellen. Würde ihn Sybin überhaupt anhören oder ihn gleich liquidieren? Was zählen da die Jahre der treuen Zusammenarbeit?! Er kannte die Gesetze des ›Konzerns‹ zu gut, er war selbst daran beteiligt gewesen, als man vier Verräter aus den eigenen Reihen bestrafen mußte und ihre Leichen in Säure auflöste.
Angst kroch in Anassimow hoch. Flüchten? Wohin? Mit den wenigen Dollars in der Tasche ein neues Leben anfangen? Wie kann man das? Wäre es möglich, für immer bei Jermila zu bleiben, wenn ihr erstes Zusammensein sie
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