Tödlicher Steilhang
Rotschiefer, fand Georg so viel Gefallen wie die anderen, die einen saftigen,nach Apfel und weißen Blüten duftenden Wein brauchten, mit dem sie neben den wunderbaren, aber auch recht teuren Weinen ihr Geschäft machen konnten – den sogenannten Brot-und-Butter-Weinen, wie sie lachend meinten.
Danach sprach Loosen über die geschmacklichen Ausprägungen des Schiefers: der blaue Schiefer, der fruchtige, nach Äpfel und Pfirsich duftende Weine hervorbrachte, der rote Schiefer, der sie kräftiger ausfallen ließ. Das rotliegende Konglomerat vulkanischen Ursprungs im Ürziger Würzgarten, wo die hundertjährigen wurzelechten Reben standen, schuf besonders würzige Weine.
Georg nutzte einen Moment der Unachtsamkeit in der Runde, um sich zu verabschieden. »Ich komme in den nächsten Tagen noch mal vorbei, ich bin zurzeit bei Stefan Sauter in Zeltingen.« Was er dort tat, ließ er offen und ging so unauffällig, wie er gekommen war. Niemandem hatte er eine Erklärung geben, keinem seine Unwissenheit offenbaren müssen. Gut gelaunt, als hätte er jemandem einen Streich gespielt, fuhr er mit dem rasanten Wagen zurück. Dieser Tag war für ihn ein seltenes Auf und Ab widerstreitender Gefühle gewesen.
Ich gewöhne mich an die Gegend, dachte er erleichtert, als er den Parkplatz am Flussufer ansteuerte. Von seinem neuen Mobiltelefon rief er Rose an und verabredete sich mit ihr. Sie war außer sich vor Freude, was ihm die Tränen in die Augen trieb.
»Sag zu niemandem ein Wort, verstehst du?!«
Sie verstand. Das nächste Gespräch führte er mit Pepe. Sein Kumpel musste kommen, er brauchte ihn. Meistens hatte er Zeit, auch wenn er gleichzeitig andere Geschäfte laufen hatte. »Ich mache in Bikes.«
Es war nichts Kriminelles von Belang, am liebsten auch ein bisschen krumm. Er war eben ein Händler, aber kein Dealer.
»Okay«, sagte Pepe, »ich bin da, wenn du kommst.«
Auf ihn war Verlass. Er würde auch zwei oder drei Freunde zu einer Stippvisite an die Mosel mobilisieren, das Spezialkommando.
Die Wächter von COS hatten sich neu positioniert. Ein Mittdreißiger saß im Wagen und hielt die Einfahrt zur Garage im Auge, sicher mit dem Laptop auf dem Beifahrersitz, der Kollege lungerte vor dem Haus mit dem grünen Tor herum, von wo aus er den Eingang zum Apartment und Sauters Haus im Blick hatte. Der Kerl musste da weg, weder Susanne Berthold noch irgendeinen Fremden (bis auf Pepe) durfte er in seine Angelegenheiten hineinziehen. Es konnte gefährlich werden. Irgendwo war ein Ende, und den damit verbundenen Schrecken verdrängte er.
Mit dem in Zeitungspapier eingeschlagenen neuen Rechner unter dem Arm ging er an den in auffälligem Schwarz gekleideten Beobachtern vorbei. »Schönen Gruß an Jason Baxter!«
Es war nicht der Mann, den er mit zwei Griffen zu Boden geschickt hatte. Der Unbekannte tat gelangweilt und verständnislos. Georg war überzeugt, dass er zum Überwachungsteam gehörte. Wahrscheinlich kannte er den Auftraggeber nicht einmal. Georg drehte sich um und winkte lachend, dann stieg er hinauf zum Apartment. Hatte eine Webcam nicht längst seine Wohnungstür im Focus? Wenn die Männer abgezogen würden und der Fall keine andere Wendung nahm, musste er sich schleunigst mit dem entsprechenden Spürgerät auf die Suche begeben. Er verstaute seinen neuen Laptop, ging hinüber ins Büro und begrüßte Frau Wackernagel. Er hoffte, keine Akten durcheinandergebracht zu haben.
Mit den Worten »Herr Sauter kommt in einer Woche zurück« empfing sie ihn, »wenn sie mit der Lese durch sind. Die sind meistens einen Monat vor uns fertig. Aber dieses Jahr kann es später werden, es hat in der Toskana viel geregnet …«.
Dass Sauter kommen wollte, war eine gute Nachricht. Dann musste er vorher nach Hannover fahren, aber nicht am Wochenende, oder er müsste seinen Anwalt bitten, sich einen Tag später als sonst in sein Landhaus nach Gorleben zurückzuziehen, wo er seit Jahren die Atomkraftgegner juristisch unterstützte. Er war es gewesen, der ihn von den Gefahren der Atomkraft überzeugt hatte. Heute waren alle dagegen. Musste die geplante Brücke erst den Anwohnern auf den Schädel fallen, bevor sie die Folgen begriffen?
Frau Wackernagel lobte ihn überschwänglich. »Ich hätte es nicht besser machen können, Herr Hellberger. Wenn ich Sie weiter einarbeite, kann ich endlich Urlaub machen, ohne dass der Chef wettert, sein Weingut würde zugrunde gehen.«
»Das wird es tun, wenn ich nicht sofort in den Weinberg
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