Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
aber wenn er ein Risiko einging, musste er zumindest das Umfeld im weiteren Sinne kennen.
    »Ach – daher Ihre Neugier in der Werkstatt. Möglich, dass da wirklich eine Säge übergeben wurde. Danke, dass Sie mir das gesagt haben. Vielleicht fahre ich später noch zum Campingplatz und höre mich um. Soll ich Kontakt zu Albers’ Sohn aufnehmen?« Klaus schien mit einem Mal Feuer und Flamme zu sein.
    »Das mit Patrick übernehme ich«, sagte Georg schnell.»Wir kennen uns bereits. Tun Sie mir einen Gefallen, und seien Sie verdammt noch mal vorsichtig.« Georg erzählte von den beiden Gruppen von Bikern, der offenen, für die offensichtlich das Motorradfahren im Vordergrund stand, und der anderen, die mehr zur harten Rockerszene gehörte. »Die Typen sind gewarnt.«
    »Danke, dann bin ich es auch …Machen wir weiter!«
    Für Georg war es neu, dass ein Neunzehnjähriger sich derart entschieden verhielt und die Sache seines Chefs zu seiner eigenen machte. Klaus war einer der wenigen, die anscheinend wussten, wohin sie wollten. Wohl nur deshalb tolerierte Sauter seine Frechheiten gegenüber Bischof, der das zähneknirschend ertrug.
    Georg meinte zum ersten Mal seit seiner Ankunft zu bemerken, dass die Trauben sich veränderten. Aus dem riesigen Wust neuer Eindrücke um ihn herum schälten sich Einzelheiten heraus, die er etwas differenzierter betrachtete. Es war die veränderte Farbe, und sie fühlten sich anders an als bei seinem ersten Gang durch den Weinberg. Er hatte die Beeren als feste runde Kugeln in Erinnerung, undurchsichtig, hart, von fahlem Grün, und die Stiele, die Rappen, wie es hieß, schienen durch. Jetzt waren die Beeren gewachsen, sie standen dicht, die Trauben waren fülliger und heller geworden, die ersten Beeren zeigten den Übergang von Grün zu Gelb. Besonders die der Sonne am stärksten ausgesetzten ließen den ersten Anflug von Reife ahnen.
    »Die werden gelb und glasig; wenn sie ganz reif sind, haben sie winzige Punkte, und das Licht schimmert durch, man kann die Kerne sehen. Die sind zuerst grün und werden langsam braun.«
    Klaus war neben ihn getreten und sah zu, wie er verschiedene Trauben miteinander verglich. Die Mannschaft des DRK nahm keinerlei Notiz von ihnen.
    »Schwierig wird es erst bei der Lese, da selektionieren wir sehr genau, wenn wir gute Weine machen wollen, jedenfallsbessere als der Durchschnitt. Und an diesem Abschnitt der Mosel gibt es wenig Durchschnitt, da hat man die härtesten Konkurrenten direkt vor der Nase, solche wie Loosen und J. J. Prüm. Das Selektionieren zeigt Ihnen Frau Wozniak dann.« Klaus grinste und hob abwehrend die Hände. »Sie hat Haare auf den Zähnen – eine faule Traube in der Kiste, eine Beere mit schlechter Botrytis, und sie kriegt Sie am A… Ich habe sie letztes Jahr erleben dürfen. Es war die Härte. Sie hat Sauter gefragt, ob er seinen Betrieb ruinieren will und wo sie dann ihr Geld verdienen soll.«
    Als die Blattschneider Feierabend machten, blieb Georg allein im Weinberg. Er fühlte sich hier aufgehoben, er mochte die Rebstöcke gut leiden, er war auf dem Weg, mit ihnen Freundschaft zu schließen. Es war albern, so zu denken, aber das kam seinem Gefühl am nächsten. Er hatte Natur nie so intensiv erlebt wie hier, sie derart ernst genommen, er fühlte sich beinahe von den Reben beschützt, besonders wenn er sich zwischen den Zeilen auf den Boden setzte und mit den Händen über die Blätter strich. Es war ein bisher nie gekanntes Gefühl, etwas Archaisches, uralt, vergraben, wie eine Statue, von der bislang nur ein undefinierbarer Körperteil aus dem Boden ragte. Sein Garten in Hannover war nur Dekoration der Villa, mehr ein Objekt nötiger Pflege gewesen, Rasen als Relikt einer Wiese, das Mähen als Pflicht den Nachbarn gegenüber. Möglich, dass dieses neue Verhältnis damit zusammenhing, dass die Weinstöcke Früchte trugen und nicht als Zierde gepflanzt waren.
    Außerdem, das sah er als ebenso bedeutend an, stand ihm der Besuch bei Menges’ Vater bevor. Da er sich weiter mit dem Fall befasste, kam er um ein Gespräch mit dem alten Herrn nicht herum. Es war grässlich, jemanden auszufragen, der um seinen Sohn trauerte, der litt. Er wusste, wie schwer ihm selbst die Trennung von seinen Kindern fiel. Um wie viel gravierender war der Tod? Bei Patrick hatte er das Thema umschifft. Wie aber Menges’ Vater den Tod seines Sohnsaufgenommen hatte, wusste er nicht. Seine Frau war bereits vor Jahren gestorben.

    Ein Trauerflor hing am Schild

Weitere Kostenlose Bücher