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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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aufbreche und meine Arbeitskraft zur Verfügung stelle. Bischof und Klaus sind oben am Schlossberg?«
    »Nur Klaus. Er beaufsichtigt die ›Blattschneideameisen‹, so nennt Bischof unsere Helfer. Die Polen, die zur Lese kommen, sind seine ›Alphabeten‹. Er findet das witzig  – ich nicht.« Sie wirkte bei den letzten Worten ein wenig hilflos. »Sie werden sie kennenlernen, besonders Frau Wozniak, Miroslawa Wozniak, ich nenne sie Miro, sie ist eine tolle Frau. Sie hilft uns seit zehn Jahren, sie hat die Lesemannschaft fest im Griff, vor ihr hat sogar Klaus Manschetten, hat Respekt, meine ich, Sie werden es erleben.« Zur Bestätigung nickte sie mehrmals mit dem Kopf. »Dabei ist sie die Liebe in Person. Vier Kinder hat sie großgezogen, allein …«
    Und ich schaffe es nicht einmal mit zweien, dachte Georg und verdrückte sich schleunigst. Sollte ich besser Weinbergschnecken sammeln? Das würde ich noch hinkriegen, sagte er sich in einem neuen Anfall von Selbstzweifeln, als er beim Aussteigen am Straßenrand ein Schneckenhaus sah, aber da holte ihn Klaus schnell wieder raus.
    Er bewunderte den Jungen im Stillen, seinen Blick für gewisse Dinge, zum Beispiel hier für die Laubwand. Der Auszubildendesah jeden Fehler, er wies die »Blattschneider« darauf hin, wo sie zu viel wegschnitten oder Überflüssiges stehen ließen, um das richtige Blatt-Frucht-Verhältnis, wie er es nannte, zu erreichen.
    »Das ist einerseits der Fotosynthese geschuldet«, erklärte er, als Georg keuchend oben am letzten Rebstock der Lage angekommen war. »Sie bringt den Zucker in die Beeren, eigentlich ein Wunder, wie Licht in Zucker verwandelt wird. Und wenn die Trauben besser durchlüftet werden, wenn der Wind hier durchgehen kann, trocknen die Beeren nach dem Regen besser. Stockende Nässe ist nämlich ideal für Pilze. Wir wollen keine Sauerfäule, schon gar keinen falschen Mehltau, Peronospora. Aber das lässt sich in diesem Jahr bei so viel Regen kaum vermeiden. Es ist beim Rebschnitt wie bei allem, es kommt auf das Maß an. Ohne ausreichend Schatten kriegen die Trauben Sonnenbrand, deshalb entblättern wir mehr auf der Schattenseite, aber bei der südlichen Ausrichtung unserer Rebzeilen haben wir kaum Schatten. Ein guter Blick und Fingerspitzengefühl sind da gefragt.«
    »Woher wissen Sie das alles? Haben Sie das bei Sauter gelernt?« Georg war davon fasziniert, welche Detailkenntnisse der Junge hatte.
    »Ich komme aus der dritten Reihe, wissen Sie. Da muss man sich mehr anstrengen, wenn man was werden will. Meine Eltern haben kein Geld. Ob’s mit dem Studium klappt, weiß ich nicht, ob ich Bafög kriege, auch nicht. Bevor wir weitermachen, habe ich noch eine Frage, die Sie mir nicht beantwortet haben.« Klaus baute sich fast fordernd auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Was denken Sie wirklich über Manfred? Weshalb er? Was vermuten Sie? Sie haben sich neulich rausgeeiert. Was ist mit ihm?«
    Würde der Junge dichthalten? Ja, würde er, Georg war überzeugt davon, aber er wollte es auch hören. »Das sage ich Ihnen nur, wenn Sie schweigen. Wie stehen Sie zu ihm?«
    »Wenn Sie so reden, werden Sie einiges vermuten, schätzeich. Ich kann ihn nicht leiden, er geht mir auf den Geist, er bildet sich ein, alles zu wissen, alle anderen sind Dummköpfe.«
    Georg ging das Risiko ein. »Ich halte ihn für einen Aufwiegler, in der Fachsprache nennt man diese Leute Agents Provocateurs. Man setzt sie ein, um bestimmte Reaktionen hervorzurufen. Letztlich schaffen diese Leute Vorwände. In dem Fall, wie Sie ihn mir geschildert haben, kann es sich um die Kriminalisierung der Bürgerinitiative handeln. Wenn man sie in die Nähe von Gewalt rückt, kann man sie öffentlich brandmarken und mundtot machen. Manfred, das nehme ich an, will Menschen wie Sie dazu bewegen, sich an illegalen Aktionen zu beteiligen, um der Polizei den Vorwand zum Eingreifen zu geben. Dann haben die Zeitungen was zu schreiben – über Chaoten, über Subversive, die Terrorangst wird täglich geschürt. Und Ängstliche lassen sich leicht führen.«
    In Klaus’ Blick las er Skepsis und Erschrecken. »Das geschieht wirklich? Glauben Sie, dass Manfred was mit Menges’ Tod zu tun hat?«
    »Das eher nicht, aber vielleicht etwas mit den abgesägten Rebstöcken?«
    »Wieso das?« Klaus war ehrlich verblüfft.
    Georg wagte es, ihm mehr zu sagen, und berichtete von seiner nächtlichen Beobachtung am Campingplatz. Es konnte falsch sein, der Junge konnte sich verplappern,

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