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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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das Wasser war grau, statt blau oder grün, die Weinberge hatten ihre satte Farbe bereits gestern im Regen verloren, heute wirkten sie nur stumpf. Ein Foto dieser Art hatte er in keinem Moselprospekt gesehen, die waren alle bei schönstem Wetter entstanden.
    Es war spät am Vormittag, Georg spürte den Anflug eines schlechten Gewissens, dass er während der Arbeitszeit verschwunden war. Sollten heute nicht die Flaschen abgeholt werden? Er wusste es nicht, sein Zeitplan war völlig durcheinander, und ein frisch abgefüllter Wein musste erst einmal zur Prüfung ins staatliche Labor, bevor er verkauft werden durfte. Als er auf das Tor zuging, nicht ohne einen Blick aufs grüne Tor zu werfen, hörte er hinter sich ein Motorrad aufheulen und sprang erschrocken zur Seite. Es war Klaus. Grinsend stieg er ab und nahm den Helm vom Kopf.
    »Fesch sehen Sie aus, zünftig, wie ein Weinbauer im blauen Drillich und in neuen Gummistiefeln. So, wie Sie daherkommen, würde ich Sie und nicht Bischof für den Kellermeisterhalten. Jeans und eine alte Jacke hätten es auch getan. Sie waren bisher irgendein Chef von irgendwas, nicht wahr?«
    »Bis die Firma verkauft wurde, ja, danach hatte ich nichts mehr zu sagen.« Es war Georg gleichgültig, was Klaus darüber dachte.
    Der sah auf die Uhr. »Ich musste noch was erledigen, drüben in Ürzig, deshalb bin ich spät, sagen Sie Bischof bitte nichts!«
    »Was sollte ich ihm sagen?« Georg hatte hier absolut nichts zu sagen, nirgends hatte er mehr etwas zu sagen.
    »Dann ist es ja gut«, meinte Klaus, schob die Maschine in die Halle, schälte sich aus seiner Rennfahrermontur und schloss den Helm mit einem Ringschloss an den Rahmen.
    »Wird hier gestohlen?«
    Der Junge dachte einen Moment lang angestrengt nach, fuhr sich verlegen mit der Hand durch sein vom Helm platt gedrücktes Haar. »Es wird überall geklaut, wenn man den Zeitungen glaubt. Wollen wir weitermachen, bevor Bischof wiederkommt? Tanks und Schläuche müssen gereinigt werden, Bischof macht nachher die Abnahme.«
    »Wieso lassen Sie sich diese Behandlung gefallen?«, fragte Georg, als sie die Kellertreppe hinunterstiegen. Bei der Frage kam ihm die Absurdität dieser Worte in den Sinn, und er biss sich auf die Lippe. Die gleiche Frage hätte man ihm stellen können. Sofort entschuldigte er sich. »Es tut mir leid, es geht mich nichts an. Man fragt manchmal drauflos, ohne nachzudenken.«
    Klaus winkte ab und grinste. »Machen Sie sich keinen Kopf, Herr Hellberger. Meine Mutter sagte mal, als ich mich beklagt habe, dass die Zeit unterm Krummstab, unter katholischer Herrschaft, eines Tages ein Ende fand, und sie wird auch heute wieder vorbeigehen. Damit meint sie Bischof. Wir stammen nämlich aus einer evangelischen Gemeinde, aus Traben-Trarbach, evangelisch war sie seit der Reformation und nicht erst seit den Preußen. Ich muss noch ein Jahrlernen, ich mache die Prüfung vorzeitig, mit links, da muss ich allerdings perfekt sein, und dann beißt Bischof sich in den Ar… äh, in den Hintern.« Klaus war die Vorfreude anzusehen.
    Die Rückkehr des Kellermeisters zögerte sich hinaus, das war eine gute Gelegenheit für Georg, Fragen zu stellen, die ihn seit der Ankunft bewegten.
    »Sie kannten die Familie Albers, wie Sie sagten.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« Klaus rollte einen dicken Schlauch auf, bedeutete Georg, das Gleiche zu tun, und schulterte die Rolle.
    »Was ist das für eine Familie, was sind das für Leute?«
    Klaus blieb auf der Treppe stehen. »Jemand wie Sie fragt nicht grundlos. Frau Wackernagel hat mir erzählt, dass die Kripo hier war und nach dem Chef gefragt hat. Was geht da ab? Darf man das wissen, als kleinstes Rädchen im Betrieb?«
    »Routine, reine Routine«, sagte Georg ausweichend wie die Kriminalbeamten. Er merkte, dass Klaus ihm diese Routine nicht abnahm. »Das jedenfalls haben die Beamten gesagt, die müssen, wie es scheint, alle Beziehungen eines Toten untersuchen. Sie sagten ja, dass Sie von dem Streit zwischen den Familien wissen.«
    Klaus nickte. »Albers war ziemlich rechthaberisch. Ich habe das mal miterlebt, hier oben, da haben sie sich angeschrien, sie dachten, dass niemand in der Halle wäre.« Klaus ließ den Schlauch von der Schulter gleiten. »Die haben ziemlich viel Geld, mehr jedenfalls als meine Eltern, aber ich fand Albers auch irgendwie in Ordnung. Er ist sowohl Winzer wie auch Hotelbesitzer und Gastwirt, das Restaurant in Pünderich heißt ›Goldene Gans‹ oder so, vielleicht, weil es

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