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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Fahrlay, den hatte er als sehr reif und fruchtig empfunden, dabei hatte er das Gefühl, etwas Stofflicheres als nur eine dünne Flüssigkeit im Mund zu haben. Bei Sauters Weinen war es nicht anders. Georg mochte eigentlich nur trockene Weine, aber auch ein Feinherber und eine Spätlese schmeckten ihm.
    »Das liegt an der stärkeren Säure«, hatte Bischof am Freitag beim Mittagessen erklärt, »bei so viel Restzucker muss sie so hoch sein, sonst wirkt der Wein unharmonisch. Aber das ist auch ein Sponti – spontan vergoren, meine ich, keine mit Hefen eingeleitete Gärung.«
    Dann hatte er auf sein Nachfragen hin erklärt, dass Restzucker der bei der Gärung nicht in Alkohol umgewandelte Zucker sei. Und da man Weine mit geringem Alkohol produzieren wolle, müsse die Gärung rechtzeitig gestopptwerden. Wie man das mache, werde er bei Gelegenheit erfahren.
    Ließ sich bei der Weinbereitung alles steuern und bestimmen? War dann der Terroirgedanke Unsinn? Der Bischof wird es wissen, sagte sich Georg und schrieb die Frage auf. Auch las er, dass deutscher Riesling erst nach zehn bis zwölf Jahren die richtige Reife erreichte. Wieso standen solche Weine nie im Regal? Weshalb verlangten alle Leute immer nach einem frischen Wein, nach dem vom letzten Jahr? Wussten sie es nicht besser, oder mochten sie den Geschmack nicht?
    Georg sah nach, was der Kühlschrank in seinem Wohnzimmer zu bieten hatte – er hatte ein paar Flaschen aus der Speisekammer seines Gastgebers mitgenommen. Sauter hatte ihm großzügig angeboten, dass er sich bedienen und das, was er verbrauche, aufschreiben solle. Wäre es sinnvoll, erst einmal mit Frau Wackernagel darüber zu sprechen, ob er sich um Menges kümmern solle? Wer kam auf die Idee, jemanden zusammenzuschlagen, um Arbeitsplätze zu erhalten? Hatten die Schläger aus eigenem Antrieb gehandelt, oder hatte sie jemand geschickt?
    Georg starrte aufs Etikett einer drei Jahre alten Auslese und fragte sich, ob eine Baufirma hinter dem Auftrag stand, irgendein Zulieferer, der um Aufträge fürchtete. Oder hatte jemand einen sich aufplusternden Politiker falsch interpretiert? Ein Anschlag war primitiv, es gab diskretere, stillere Möglichkeiten, jemanden in die Knie zu zwingen und Menges’ Kellerei auf elegante Weise zu zerstören. Da hatte jemand ein Zeichen setzen wollen. Wieso hatte der Winzer niemanden erkannt und kein Nachbar irgendetwas bemerkt? In diesen Dörfern blieb doch sonst nichts geheim. Hatten die Leute Angst und wollten sich nicht mit den Mächtigen anlegen? Egal, ob sie es taten, der Kelch ging sowieso nicht an ihnen vorüber, sie zahlten immer die Zeche, ganz gleich, ob sie was tranken oder nicht.
    Am nächsten Morgen zeigte sich Bischof erstaunlicherweise sofort bereit, Georg die Handhabung des Gabelstaplers zu erklären. Ihm gefiel wohl das Interesse dieses Büromenschen, der sich ohne Weiteres zwei Zwölferkartons unter den Arm klemmte und sich vor keiner Arbeit scheute. Bischof wollte nicht wissen, weshalb er den Gabelstapler fahren wollte, es schien ihm eine Selbstverständlichkeit.
    »Der Umgang mit den Dingern ist einfach, wer Autofahren kann, kann auch das lernen, Sie müssen nur den Wendekreis beachten, die Gabel schwenkt weit aus. Nicht dass Sie unsere Fässer aufschlitzen, das Ding dreht auf der Stelle, die hinteren Räder kann man fast quer stellen. Also dann, worauf warten Sie noch.«
    Georg war erstaunt, dass Bischof sich so schnell darauf einließ. Er benahm sich generell anders, verbindlicher, wenn Klaus abwesend war.
    »Na los, sitzen Sie auf, machen Sie es sich bequem, wenn es geht.«
    Es war das zweite Mal, dass Georg den Kellermeister grinsen sah, als er sich hinter das Lenkrad klemmte. Der winzige Sitz war lediglich eine Schale aus schwarzem Kunststoff. Mühsam brachte Georg seine Gliedmaßen auf dem engen Gefährt unter. Bremse, Gas und Kupplung waren wie beim Auto angeordnet, alle anderen Funktionen waren über Handgriffe zu regeln, das Kippen des Hebebaums, das Anheben der Gabel und das vorsichtige Absetzen der Ladung, mehr musste er nicht wissen.
    »Denken Sie immer daran«, ermahnte Bischof ihn eindringlich. »Sie haben bis zu sechshundert Flaschen auf der Gabel, das Ganze mit fünf Euro multipliziert, dann kennen Sie den Wert …«
    Das Knattern eines Motorrades kündigte Klaus’ Erscheinen an. Bischof schaute auf die Uhr.
    »Es ist unglaublich, was dieser Bengel sich rausnimmt, kommt eine halbe Stunde zu spät – und Herr Sauter lässt sichdas gefallen.

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