Tödlicher Steilhang
acht Meter …«
»Runtergestoßen, sagen Sie?« Georg erinnerte sich an die steilen Felsen. »Kann man nicht abstürzen, ohne dass jemand nachhilft? Wir wissen alle, wie leicht man auf den Schieferbrocken ins Rutschen kommt.«
Klaus schüttelte heftig den Kopf, und auch Bischof machte seine Skepsis deutlich: »Ich kenne Herrn Menges. Er ist quasi im Steilhang geboren. Der wusste immer, auf welchem Boden er stand, auch in Bezug auf seinen Protest. Er kannte da oben jeden Stein, jeden Rebstock, besonders wo seine Wurzelechten standen. Der konnte da bei Nacht mit verbundenen Augen durchlaufen.«
»Hier ist es anscheinend sehr viel wichtiger als anderswo, zu wissen, auf welchem Boden man steht«, meinte Georg.
»Das sollten sich die Brückenbauer zu Herzen nehmen.« Das war wieder einer von Klaus’ hilfreichen Zwischenrufen.
»In der Stadt interessiert es keinen Menschen, höchstens die Bauaufsicht, wenn ein U-Bahn-Schacht einstürzt«, fuhrGeorg fort und erinnerte sich, Menges mit einem Glas Wein in der Hand gesehen zu haben. »Hatte er getrunken?«
»Worauf wollen Sie denn hinaus?« Klaus war sofort wieder in Angriffsstellung. »Dass er betrunken war und besoffen vom Weinberg gefallen ist? Wenn das die Betreiber der Brücke sagen würden, könnte ich das verstehen, die müssen sich rausreden. Aber Sie, gerade Sie sagen das?« Klaus wandte sich an den Kellermeister. »Er, Menges, hat ihn gerade gestern erst gebeten, die Typen zu finden, die ihn verprügelt haben, und er hat abgelehnt …«
»Jeder braucht Zeit für wichtige Entscheidungen, so etwas darf man nicht übers Knie brechen«, wandte Georg halbherzig ein.
»… und am selben Abend ist Herr Menges bereits tot. Das macht Sie nicht stutzig, Herr Hellberger? Wenn Sie bereit gewesen wären, zu helfen, dann wäre er noch am Leben!«
»Du bist unverschämt, Klaus.« Bischof ergriff für Georg Partei. »So eine Behauptung ist frech und ungezogen.«
»Wenn es aber so ist?«
»Ungestüm, ungezogen und frech zu sein, wie Sie es nennen, ist das Vorrecht der Jugend«, sagte Georg und versuchte, den Vorwurf nicht weiter an sich herankommen zu lassen. Höchstwahrscheinlich wäre das Attentat – Mord wollte er das nicht nennen – auch geschehen, wenn er dem Winzer seine Hilfe angeboten hätte. »Es ist genauso gut möglich, dass es ein Unfall war, selbst das Unwahrscheinlichste kann wahr werden.«
»Was ist heute zu tun?«, fragte Klaus und sah sich in der Halle um. Es war offensichtlich, dass er nicht weiter mit den beiden Männern reden wollte, besonders nicht mit Georg.
»Du hast meine Frage von vorhin nicht beantwortet«, sagte der Kellermeister. »Ich wusste nicht, dass er verprügelt worden war.«
»Es stand in jeder Zeitung«, meinte Klaus nur und ging wütend in den Umkleideraum.
»Wenn der Chef nicht da ist, ist der Junge unerträglich.« Bischof wirkte entmutigt. »Ich mache das nicht länger mit, ich dachte zuerst, Sie hätten vielleicht einen mäßigenden Einfluss auf ihn, das hat sich aber schnell gewandelt. So unverschämt wie jetzt hat er sich noch nie aufgeführt.«
Georg dachte an das Verhalten seiner Kinder, besonders an das von Jasmin, die in dem Maße unleidlicher geworden war, wie die Konflikte in seiner Ehe größer geworden waren. Jeder Mensch reagierte anders.
»Könnte es sein, dass bei ihm zu Hause einiges nicht stimmt? Kennen Sie die Familie?«
»Da fragen Sie besser Frau Wackernagel, die weiß über solche Dinge Bescheid, ich mische mich nicht ein, es interessiert mich auch nicht sonderlich. Was war nun mit Menges und seiner Prügelei?«
Georg gab das wieder, was ihm der Winzer erzählt hatte. »Zuletzt hat er mich gefragt, ob ich die Schläger für ihn finden will, weil die Polizei sich nicht darum kümmert, wobei die Vermutung mitschwang, dass die Polizei sich bewusst zurückhält. Sollte Politik im Spiel sein, halte ich das für möglich. Andererseits braucht man Anhaltspunkte, um mit der Suche zu beginnen. Das gilt gleichermaßen für die Schlägerei und für den – ja was – Unfall oder Mord. Halten Sie Letzteres wirklich für möglich?«
»Möglich ist es schon, es wird einem täglich im Fernsehen vorgeführt, aber ich halte es für wenig wahrscheinlich.«
Auch Georg hielt es für möglich. Es war Teil der weltweiten Politik von COS, bis zum Äußersten zu gehen, für dreitausend Dollar am Tag tötete einer ihrer Söldner. Dem Menschen war nichts fremd, für jeden Job fand sich einer, und wenn es nur einer war,
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