Toedlicher Sumpf
beruhigt mich schon.
Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet. Vielleicht habe ich zu wenig Schlaf.
»Hier heiratet demnächst meine Freundin.«
»Wow«, sagt Marisol, »ziemlich cool.« Und dann fügt sie hinzu: »Für eine Kirche.«
»Nichts anderes will es sein.«
»Was für ein Kleid ziehst du an?«
Ich beschreibe es ihr, und sie scheint enttäuscht, weil es dunkel ist und schlicht. Mit zwölf findet man etwas anderes schön, nehme ich an.
»Wenn die Hochzeit vorbei ist, zeig ich’s dir mal, ja?« Wir gehen nach links weiter, die St. Peter Street entlang bis zum Parkplatz.
»Am liebsten würde ich mitkommen«, sagt sie plötzlich. »Das wird bestimmt total schön.«
Das rührt mich auf unerklärliche Weise. »Ach, Süße«, sage ich, lege ihr einen Arm um die Schultern und drücke sie kurz. Und bin überrascht, dass sie sich
nicht entzieht. »Ich würde dich auch gern mitnehmen. Nächstes Mal. Ich versprech’s.«
Am Abend, ich liege schon im Bett, das Licht ist aus, klingelt mein Handy. Es dauert ein paar laute Klingeltöne, bis ich es auf dem Nachttisch ertastet habe.
»Céspedes.«
»Nola? Hier ist Bento.«
Mit einem Ruck setze ich mich auf und mache das Licht wieder an. »Woher hast du meine Nummer?«
»Du hast mich angerufen. Schon vergessen?«
»Ach ja.« Ich entspanne mich. »Okay. Was gibt’s? Musst du absagen?« Die Hochzeit ist in einer Woche; nie im Leben treibe ich bis dahin einen anderen Begleiter auf.
Gegen meinen Willen muss ich lächeln, als ich sein raues Kichern höre. »Wir gehen am Samstag zusammen aus. Da dachte ich, es gehört sich, dass ich mich mal melde.«
»Warum?«
»Um ein bisschen zu reden, um ... ¿cómo se dice? ... den Kontakt zu pflegen. Dich kennenzulernen.«
»So gehört es sich, auf jeden Fall.«
»Ich bin altmodisch.«
Ich schnaube kurz. »An dem Abend im Auto bist du mir nicht so altmodisch vorgekommen.«
»Da hast du recht«, sagt er weich. »Das war kein altmodisches Werben.«
»Kein bisschen.«
»Aber es passiert nicht jeden Tag, dass eine schöne Frau kommt und sich einem anbietet. Welcher Mann würde da Nein sagen?«
Sich anbieten? Mein Gott. »Worüber wolltest du denn mit mir reden?«
»Über das, worüber du reden möchtest.«
Ich überlege einen Augenblick. »Wie wäre es mit deinem Namen? Bento. Das hört man nicht alle Tage.«
»Ja, meine Mutter gab mir diesen Namen. Ein alter Brauch.«
»Heißt das nicht auf Japanisch so was wie Brotdose?«
Er lacht. »Ja, das hat man mir schon gesagt.«
»Seltsamer Brauch.«
»In meinem Fall heißt es ›Segen‹.«
»Oh Gott.« Nicht einfach ein Macho, sondern un macho milagroso . Großartig. »Bist du eins von diesen spät empfangenen Kindern? Haben sie so lange für dich gebetet, dass ihnen die Schwangerschaft wie ein Wunder erschien, als sie schließlich eintrat?«
Wieder kichert er. Meine Ruppigkeit scheint ihn nur zu amüsieren, das überrascht mich. Die meisten Männer haben Schwierigkeiten mit mir, sobald ich den Mund aufmache.
»Nein. Meine Mutter hatte schon acht Kinder. Sechs Jungen, zwei Mädchen. Aber ich war der siebte Sohn eines siebten Sohnes. In meinem Land bedeutet das Unglück. Solche Kinder werden grundsätzlich Bento genannt – ein Segen, der das Böse abwehren soll.«
»Das ist ja verrückt.« Noch mehr Aberglaube. »Also hattest du immer das Gefühl, dass ein böser Fluch auf dir liegt?«
»Nein, nie. Ich habe mich immer ... ¿cómo se dice? ... besonders beschützt gefühlt. Vielleicht auch nur deshalb, weil ich so viele große Brüder und Schwestern hatte, die auf mich aufgepasst haben. Ich war der Kleine.«
»Und völlig verzogen bestimmt.«
»Aber ja! Ganz bestimmt. Mein Vater sagt das.«
»War deine Familie arm? Mit so vielen Kindern?«
»Nicht arm, nicht reich. Mein Urgroßvater hatte einen Hof in den Bergen, und alle seine Kinder und Enkel – also auch mein Vater – haben kleine Häuser dort. Hätten wir nicht zur Uni gehen und Karriere machen wollen, hätten wir bleiben und auf dem Hof arbeiten können. Unsere Existenz war gesichert, pero wir waren nicht reich. Allerdings haben wir immer sehr zusammengehalten.«
»Vermisst du sie?«
» Ay, sí, sí . Sehr. Ich rufe jede Woche einmal zu Hause an. Meine Mutter weint jedes Mal«, sagt er. »Am Jahresende fahre ich hin.«
»Zu Weihnachten?«
» Sí , Weihnachten.«
Wir plappern planlos weiter, stellen Fragen, die uns gerade in den Sinn kommen.
»Was ist deine Lieblingsfarbe?«
»Weiß«,
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