Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
Vom Netzwerk:
antwortet er prompt. Na toll: internalisierter Rassismus. Das hat mir gerade noch gefehlt. »Weil es die Summe aller Farben ist. Alle anderen sind – gebündelt durch Licht – darin enthalten.« Okay, so viel zum Rassismus. Er ist also der New-Age-Typ.
    »Und deine Lieblingszahl?«
    Er überlegt. »Acht.«
    »Warum?« Mein Ton ist spöttisch. »Weil sie ein senkrecht stehendes Unendlichkeitszeichen ist?«
    Jetzt lacht er. »Weil sie mich an einen Schneemann erinnert. Ich rolle so gern die Schneekugeln.«
    »Okay. Hier kommt was Schweres.« Ich lasse meine Fingerknöchel knacken. »Wie läuft deine ideale Verabredung ab?«
    »Das ist doch einfach. Eine schöne Frau kommt zu mir, nachdem ich ein Fußballspiel gewonnen habe, und wir machen Liebe.«
    »Halt bloß die Luft an.« Ich wickle mich in die Bettdecke.
    »Was?«
    »Ich meine: hör auf.«
    »Warum?«
    Ich atme tief durch. »Ich meine, danke. Das ist sehr schmeichelhaft.«
    » Sehr schmeichelhaft«, erwidert er.
    »Aber im Ernst, wenn du eine Verabredung hättest, was würdest du unternehmen?«
    Er antwortet ohne Zögern. »Zuerst würden wir zusammen in die Sümpfe fahren. Wir würden Sumpfgras pflanzen, den ganzen Tag zusammen arbeiten, in Sonne und Wasser.«
    Alles klar. Es geht doch nichts über Dreck und Arbeiten, um einen auf Touren zu bringen.
    »Dann würden wir zusammen angeln. Ich würde Feuer machen und den Fisch für dich braten, und dazu würden wir Wein trinken. Bei Einbruch der Dunkelheit würden wir hinten in den Van kriechen und zwischen weichen Decken Liebe machen. Danach würde ich dich in den Armen halten, und wir würden uns die Sterne anschauen.« Er schweigt einen Moment, und mir fällt beim besten Willen nichts ein, das ich erwidern könnte. »Klingt das gut für dich?«
    Ich räuspere mich. »Na ja, ich hab mehr an so was wie Abendessen und Kino gedacht. Aber trotzdem: Es klingt gut, ja.«
    »Jede Stunde geht fast ein Hektar Sumpfland verloren, ungefähr fünfundsechzig Quadratkilometer im Jahr«, sagt er ernst. »Das muss wiederhergestellt werden. Ich fahre oft am Wochenende raus. Es ist für das Sumpfland selbst wichtig, für die Wasservögel und Pflanzen, aber auch für New Orleans.«
    »Warum für New Orleans?«
    »Wodurch wird ein Hurrikan abgeschwächt? Durch Mangel an Antrieb. Und was treibt einen Hurrikan an? Warmes Wasser vom Meer oder vom Golf. Sobald der Sturm über Land hinwegfegt, wird er schwächer und geht schließlich ein.«
    »Also je mehr Sumpfland zwischen der Stadt und der Küste liegt ...«
    »Desto mehr Zeit hat der Hurrikan einzugehen. Genau.«
    »Warum haben wir das eigentlich nie in der Schule gelernt?«
    Er ignoriert meine Frage. »Katrina war schlimm. Aber es können noch viel schlimmere Stürme kommen. Wir müssen das Sumpfland vergrößern, um die Stadt zu schützen.«
    Wir reden noch ein bisschen, und dann sagt er, es sei spät, und er habe mich schon viel zu lange vom Schlafen abgehalten, und wir wünschen einander eine gute Nacht. Ich lasse das Licht an. Ich schlinge die Arme um die Knie, sitze noch eine Weile so da, allein in meinem Zimmer, und lächle.

15
    Am Sonntagmorgen begleite ich meine Mutter in die Kirche. Ich hake sie unter, damit sie nicht mit dem Absatz in einem der Löcher in den Gehwegplatten hängen bleibt. Es ist kühl, Jasminduft hängt in der Luft, und wir haben Regenschirme dabei für den Fall, dass die tief hängenden dunklen Wolken Regen schicken. In meiner Handtasche klingelt das Handy.
    » Ay, mi’ja , mach bloß das Ding aus, bevor wir da sind.«
    »Ich weiß, Mamá«, erwidere ich, während ich danach grabe. Unbekannte Nummer , zeigt das Display an.
    »Hallo?« Meine Mutter zerrt an mir.
    »Hallo«, antwortet eine raue Stimme jovial. »Ich sollte mich melden.«
    Blake Lanusse. Eine Welle von Hass durchfährt mich, und ich bleibe kurz stehen. Dass er mich an einem Sonntagmorgen erreichen kann, ist unerträglich. Warum – warum habe ich ihm bloß meine Nummer gegeben?
    »Mr. Lanusse«, sage ich und versuche, mich zu beruhigen. »Das ist ja eine Überraschung.«
    »Ja, na ja, Sie haben gesagt, ich soll mich melden. Übernächste Woche habe ich ein paar freie Tage und ...«
    »Waren Sie gestern im Quarter?«, frage ich leichthin, nehme meine Mutter wieder beim Arm und gehe weiter.
    Schweigen.
    »Ja, Kleines«, sagt er schließlich. »Ich bin jeden Tag im Quarter. Ich bin im Quarter, und das Quarter ist in mir.«
    »Waren Sie am Jackson Square?«
    »Hm. Ich kann nicht sagen, dass ich

Weitere Kostenlose Bücher