Toedlicher Sumpf
Glas auf der Rückseite des metallenen Serviettenspenders untergebracht. Ich schiebe sie zu Marisol hinüber. »Lass uns schon mal überlegen, was wir bestellen wollen.«
Sie liest. »Und was ist jetzt ein Beignet?«
»Ein Gebäck. Hat Ähnlichkeit mit einem Krapfen.«
Sie sieht mich verständnislos an.
»Mit sopapillas .«
»Ach so.« Jetzt nickt sie.
»Aber mit Puderzucker. Nicht mit Honig.«
Sie studiert die Karte. Die Kellnerin sieht schon beim Anmarsch genervt aus. »Was soll’s sein?« Der Service ist schnörkellos, keine Frage, aber andererseits ahne ich noch nicht einmal, wie viele Leute die Frau pro Tag bedienen muss und wie viele von uns pampig sind oder knickrig, oder beides.
»Marisol?«
»Kakao bitte.«
»Keine Beignets?« Sie schüttelt den Kopf. »Okay. Ich nehme einen Café au Lait und einmal Krapfen.« Die Kellnerin nickt und verschwindet. Ich drehe mich zu Marisol um. »Warum willst du denn keine?«
»Ich zähle Kalorien«, sagt sie knapp. Das Mädchen ist ein Strich in der Landschaft.
Ich nicke. »Verstehe. Eine Portion, das sind drei Stück. Sie sind gezuckert, aber sehr klein, also nicht so verwerflich. Wenn du einen von mir kosten möchtest, kannst du das gern.«
»Ich will bestimmt keinen.«
»Okay.« Eine Weile sitzen wir einfach schweigend da. Es gibt so viel zu sehen, drinnen wie draußen: im Café Gäste, die sich beim Essen unterhalten; am Straßenrand einen jungen Mann, der Saxofon spielt; zwei junge Frauen, die sich mit Geige und Kontrabass darauf vorbereiten, gleich zu spielen; kreisende Möwen und eine weiße Limousine, für die es hier zum Wenden zu eng wäre.
»Kann ich mir deine Waffe anschauen?«
Ich bin überrascht. »Oh, da sage ich jetzt mal nein.«
»Warum?«
»Ich habe die Erlaubnis, verdeckt eine Waffe zu tragen. Das heißt: versteckt.«
»Weiß ich. Logisch.«
»Na gut. Wenn ich sie raushole und andere Leute sie sehen, hat das mit ›verdeckt‹ nichts mehr zu tun. Logisch. Ich darf sie nur rausholen, wenn ich sie brauche, um mich zu verteidigen.«
Ihre Augen leuchten. »Dann könntest du sie also, wenn hierein paar Typen mit Uzis reinkämen, ziehen und die Typen abschießen?«
Ich muss lachen. »Wenn hier Typen mit Uzis reinkämen, würde ich mich wie alle anderen auf den Boden werfen und tun, was die Typen sagen. Aber wenn ich irgendwo allein unterwegs wäre und angegriffen würde – dann würde ich sie benutzen, ja.«
»Das ist so cool!«
»Es ist nicht cool. Ich bin ja kein heißes Gangsta-Chick oder so was.«
»Chick?« Sie grinst herablassend.
»Chick, Kleine. Oder welches Wort ihr heutzutage benutzt. Aber davon abgesehen sind diese Mädchen gar nicht so heiß. Und sie werden nicht alt.«
Ihre Augen rutschen eine Winzigkeit weg, so als hätten sie keine Lust auf eine ganze Drehung. »Na ja«, sagt sie. »Aber du kannst schießen, oder?«
»Ja, klar. Das muss man lernen, bevor man einen Berechtigungsschein kriegt.«
»Also könntest du’s mir beibringen?«
»Hm.« Ich weiß nicht, wie diese Frage gesetzlich geregelt ist – geschweige denn, was die Leute von Big Brothers, Big Sisters dazu sagen würden. »Da muss ich mich erst mal schlau machen. Wenn deine Eltern einverstanden sind, ginge das wohl.«
Sie lächelt und nickt. »Cool.« Ihre Augen leuchten wieder. »Wird ihnen egal sein.«
Wir werden sehen. Aber mir reicht’s jetzt mit dem Thema Waffen. »Was ist eigentlich dein Lieblingsfach in der Schule?«
Wieder vollführen ihre Augen den kleinen Tanz der Geringschätzung. »Mittagessen.«
»Nein, im Ernst.«
»Weiß nicht.« Sie schaut unendlich gelangweilt drein. »Mathe?«
»Hey, cool.« Ein Mädchen, das Mathe mag. »Ehrlich?«
»Nein.«
Das Eintreffen unserer Getränke und der Beignets rettet mich. Heiße, in Fett knusprig ausgebackene Teigbällchen, die mit einer dicken Schicht Puderzucker bedeckt sind. Ansonsten komplett nährstofffrei. Als Marisol den ersten Schluck Kakao trinkt, hellt sich ihre Miene auf. Der Café au Lait ist auch gut, und dazu beiße ich in den ersten der drei goldenen Beignets. Ich liebe diese Teile, sie sind warm und durch und durch süß, die Kruste kracht beim Hineinbeißen, das Innere zergeht auf der Zunge. Und am allerbesten sind sie, wenn man sie in Café au Lait tunkt. Eine Weile sieht Marisol mir zu, dann gibt sie schließlich auf.
Sie kostet, und schon beim Hineinbeißen weiten sich ihre Augen, und sie lächelt mir zu. »Die sind gut«, murmelt sie mit vollem Mund.
Ich muss lachen. »Hab
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