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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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Unschuld von mehr als hundert Todestrakt-Häftlingen nachweisen können.
    Damit war die Sache für mich klar: Niemand, der fälschlich beschuldigt wird, darf sterben. Niemals. Punkt. Unser Rechtssystem mag für sich in Anspruch nehmen, dass es gerecht ist, es mag schöne Leitsprüche in die Fassaden seiner Gebäude meißeln und unzählige Statuen von Frauen mit verbundenen Augen aufstellen, aber es ist und bleibt fehlerhaft.
    Immer noch unruhig und aufgewühlt von der Meldung über Patrick Kennedy und dem, was ich über die gravierenden Spätfolgen sexueller Übergriffe gelesen habe, schließe ich alle Programme, mache den Rechner aus, verlasse die Redaktion, fahre ins Quarter, suche mir einen Parkplatz und gehe ins »Napoleon House«. Mitten auf den Fußweg haben Graffiti-Künstler in großen, klobigen Buchstaben BONG-RAUCHEN HIER gemalt, und nahe an den Häusern entlang taucht – in zierlicherer rostroter Schreibschrift – alle paar Schritte das Wort BESOS auf. Das ist New Orleans: Kiffen und Küsse.
    Ich betrete das »Napoleon House«, in dem Blake Lanusse neulich, als ich ihm gefolgt bin, verschwunden ist, und scanne die Gaststube kurz. Lanusse ist nicht da. Die rauen Wände sind braun marmoriert, auf dem Boden sind kleine rosé- und cremefarbene Fliesen im Schachbrettmuster verlegt. Die hohen Flügeltüren nach draußen stehen offen – freier Durchgang fürTouristenströme und die Hitze. Deckenventilatoren verwirbeln die warme Luft. Ich setze mich an den Holztresen und stelle die Füße auf das dafür vorgesehene Messingrohr.
    Das »Napoleon House« ist altmodisch. Es läuft klassische Musik, und die perfekt rasierten Barkeeper tragen langärmlige weiße Hemden und schwarze, von der feuchten Luft schlaffe Fliegen.
    Einer von ihnen bleibt vor mir stehen. Sein Haar ist nass. »Was nehmen Sie?«
    »Wodka, mit Eis.« Prompt steht das Glas vor mir, kalt und wunderbar, und noch bevor mir etwas einfällt, das ich sagen könnte, ist der Mann schon wieder weg.
    Das Lokal ist nett. Ich bin oft hier. Du kannst einfach so dasitzen, schwitzen und die Gipsbüste von Napoleon anstarren, die auf der antiken, für immer bei $ 400,00 stehengebliebenen Registrierkasse thront. Du kannst dir die Batterien von Flaschen anschauen, die vor gewölbten Spiegeln aufgereiht sind, so dass die berauschenden Möglichkeiten verdoppelt, ja endlos erscheinen. Du kannst dich umdrehen und hinaus auf die Straße schauen, auf die Lokale gegenüber und die Touristen, die zur nächsten Happy Hour unterwegs sind. Du kannst in Grüppchen von Leuten nach einer bestimmten, untersetzten Gestalt suchen. Du kannst zusehen, wie es regnet und bald wieder aufhört und wie die feuchte Straße schimmert, wenn die bereits tief hängende Sonne aus den Wolken hervorbricht.
    Die Zeit vergeht schnell im »Napoleon House«. Du kannst den Schreihälsen zuhören, die neben dir am Tresen sitzen und dir erzählen, dass sie aus Tennessee kommen – oder aus New York oder Wyoming –, und ächzen, weil es so heiß ist hier und das Bier in ihrer Flasche Dixie schon warm, bevor sie sie auch nur halb geleert haben. Du kannst mit ihnen reden und dir von ihnen Drinks spendieren lassen, und wenn du genug hast, kannst du ihnen das auf den Kopf zusagen, dich wegdrehen, in das schmelzende Eis in deinem Glas starren und über dasnachdenken, was du im Internet recherchiert hast. Du kannst gelegentlich den Blick in die dunkleren Ecken des Raums schweifen lassen und dich vergewissern, dass da keine bekannte Gestalt hereingekommen ist und sich unbemerkt niedergelassen hat.
    Der Barkeeper knallt ein Frikadellensandwich auf den Tresen. Ich blicke auf.
    »Geht auf mich.«
    »Danke, aber ...«
    »Essen Sie was.« Er nimmt mein leeres Glas weg und stellt mir ein großes, bis zum Rand gefülltes Wasserglas hin. »Flüssigkeit«, sagt er.
    Um ihn zu beruhigen, esse ich ein paar Nüsse und trinke das Wasser.
    Als ich gehe, setzt die Dämmerung ein.
    Ich kann mein Auto nicht finden. Endlos laufe ich herum und versuche mich zu erinnern, wo ich geparkt habe. In der Bourbon Street, wo pinkfarbene Neonreklamen GERADE NOCH LEGAL verkünden, sehe ich Mädchen, die kaum älter sind als Marisol, auf High Heels und oben ohne in Hauseingängen stehen. Magisch ziehen ihre kleinen Brüste die Blicke der Touristen an, die hier herumstreunen, Bier aus ihren Plastikbechern verschütten und lauthals den Siebzigerjahre-Rock mitgrölen, der irgendwo in der Nähe dröhnt. Ich gehe weiter.
    Schließlich finde

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