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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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schlechtes Gewissen wegen der Papiere hatte. Da die alte Dame auch mit Cecilys Anwalt in Verbindung stand, einem alteingesesse-nen Einwohner der Stadt, den sie gut kannte, hatte sich der Druck auf Max, sich der Sache anzunehmen, noch verstärkt. Es paßte alles nahtlos zusammen, und der Fall schien sich nach und nach aufzulö-
    sen.
    Was nun Kate Fansler betraf, so befand sie sich zur Todeszeit ganz zweifelsfrei anderswo, wo immer das auch gewesen sein mochte. Die Tatsache, daß sie sich bereitgefunden hatte, einen Mann nach Maine zu begleiten und mit ihm dort die Nacht in einem Gasthaus zu verbringen, stand auf einem anderen Blatt. Die Polizei bedauerte das, 36

    wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Diese Dame wäre eine so wunderbare Lösung gewesen. Doch während all der Tage und Stunden, die als Todeszeit von Geraldine Marston in Frage kamen, hatte Kate Fansler in der Gesellschaft verschiedener Leute Reden gehalten. Und die Nächte hatte sie mit ihrem sogar in Maine respektein-flößenden Mann verbracht, was dieser auch beschwören wollte. Zu allem Überfluß hatte sich herausgestellt, daß Kate Fansler eine ziemlich berühmte Englisch-Professorin an einer berühmten Universität war und über weitreichende Verbindungen verfügte.
    An dem Punkt ruhte der Fall mehrere Monate lang. Erst Ende März wurde der Gedanke an Geraldine Marston für Kate wieder mehr als ein dumpfer, ständiger Schmerz und eine traurige Erinnerung.
    37

Vier

    D er Aufzug führte direkt in die Turnhalle. Er spie seine Fahrgäs-te in einen Raum, der sich, hätte Dante ihn vorausahnen können, in seinem Werk sicher als einer der Höllenkreise niedergeschlagen hätte. Zu seinem Glück und dem der mittelalterlichen Literatur hatte er zu früh gelebt, um sich eine Vorstellung von der Atmosphäre einer Turnhalle in einer Knabenschule im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu machen. Kate Fanslers Erfahrungen hatten offenbar nicht ausgereicht, um sie gegen einen solchen Überfall auf ihre Sinne zu wappnen. Also blieb sie stehen und versuchte, so viel Gleichmut zurückzugewinnen, wie die Szene zuließ. Das war nicht viel. Der Geruch von fünfundzwanzig oder mehr jungen Leibern männlichen Geschlechts, die unbarmherzig ihren athletischen Übungen nachgin-gen, schien zunächst über das hinauszugehen, was ein erwachsener Mensch ertragen konnte. Aber Kate wußte aus Erfahrung, daß die Wahrnehmung mit der Zeit nachlassen würde, da die Geruchsnerven glücklicherweise allmählich abstumpften. Der Lärm, der hauptsächlich einer Lautsprecheranlage mit dem neuesten Rocksound zuzu-schreiben war, bewegte sich einige Dezibel oberhalb der menschlichen Schmerzgrenze. Er würde verebben, aber nicht, wie man hätte annehmen können, wegen zunehmender Taubheit der Zuschauer, sondern wegen des beginnenden Spiels würden die Lautsprecher glücklicher Weise abgeschaltet werden. »Aber wozu dieser entsetzli-che Krach, diese ohrenbetäubende Kakophonie?« hatte Kate ihren Neffen Leo gefragt.
    »Er gefällt uns.« Leo hatte sich mittlerweile an die Neigung seiner Tante zu ausladenden Ausdrucksweisen gewöhnt. »Außerdem«, kam er ihr im Interesse der Wahrheit entgegen, »macht er die Mannschaft heiß.«
    »Mein Gott«, hatte Kate geantwortet. Sie konnte sich auch kürzer ausdrücken, wenn sie geschockt war.
    Der Krach aus den Lautsprechern hatte den sonstigen Lärm aus der Turnhalle nicht vollständig überdeckt – die Schreie der jungen Männer, die vom Sopran bis zum Baß reichten, aber in Ton und Inhalt bemerkenswert gleich waren; die Glocken und die altertümlichen Autohupen, die nach jedem Korb mal für die eigene Mannschaft, mal für die gegnerische dem Erfolg zu ehren tröten würden.
    Nachdem Kate sich an Geruch und Lärm gewöhnt hatte, wandte 38

    sie sich dem nächsten notwendigen Kraftakt zu: zwischen stur dasit-zenden jungen Männerleibern zu einem Sitz auf der Haupttribüne hinaufzuklettern, von wo aus sie das Match verfolgen konnte. Natürlich ein Sitz ohne Lehne, mit wenig Fußraum und keinem Platz für den Mantel und andere Kleidungsstücke. Kate hatte gelernt, sich zu beschränken und nur Hosenanzüge zu tragen, wenn sie die Turnhalle aufsuchte. Einen Abend lang hilflos an ihren Röcken herumzuzupfen hatte ihr gereicht.
    »Hi, Kate!« John Crackthornes tiefer Stimme gelang es irgendwie, sich vernehmlich zu machen. Er klopfte auf einen Platz neben sich. Kate erkannte ihn und winkte heftig – kleinere Gesten wären einfach untergegangen. Zwischen

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