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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Größe einen unfairen Vorteil hatten. Aber Leo verzieh ihr diese Ausrut-scher, denn sie behielt sowohl ihr Interesse am Basketball als auch ihr Wissen um ihre Unwissenheit. Altere Herrschaften, die so taten, als verstünden sie das Spiel, obwohl sie keine Ahnung hatten, waren den Jungen nämlich ein Greuel. Ähnlich war es, wenn Leo etwas über ein literarisches Werk für eine Prüfung wissen wollte, deren drohender Termin immer mit seiner ersten Lektüre des zu prüfenden Buches zusammenfiel. Dann marschierte er in Kates Zimmer und sagte: »Wie wäre es mit ein paar erhellenden Bemerkungen über
    ›Prufrock‹?« Kate bewunderte diesen Austausch notwendiger Informationen, der dadurch möglich wurde, daß sie immer Leo die Gelegenheit gab, das Gespräch zu eröffnen. Gespräche, deren Charakter eine Eröffnung aus entgegengesetzter Richtung erforderten, überließ Kate – eher feige – sehr gerne Reed. Das System funktionierte überraschend gut.
    Weil Leos Eltern nicht bereit waren, ihm irgendwelche Eigenini-tiative zuzugestehen, war Leo ein für allemal unfähig, mit ihnen auszukommen oder auch nur im selben Haus zu wohnen. Ob es nun daran lag, daß er der mittlere von drei Söhnen oder daß die Persönlichkeiten zu verschieden oder daß, wie Kate fand, ihr Bruder ein engstirniger Wichtigtuer und ihre Schwägerin eine gut gekleidete und schick frisierte Klatschbase ohne jeden Verstand war, Leo hatte jedenfalls die Flucht ergreifen müssen. Er hatte schon einmal quasi auf Kates Türschwelle gesessen und einen Sommer lang bei ihr gewohnt. Nun absolvierte er sein letztes Jahr an der High-School und wohnte wieder bei ihr. Reed hatte sich mit dem Versuch einverstanden erklärt, und es funktionierte, ohne daß sich Kate oder Reed dabei über die Gründe etwas vormachten. Erstens verfügten sie über eine große Wohnung. Zweitens hatten sie eine fähige Haushaltshilfe.
    Drittens gelang es ihnen, Leos Aktivitäten gegenüber eine Gleichgültigkeit zu demonstrieren, die ihn – das ist die Perversion der Pubertät
    – dazu herausforderte, von sich aus darüber zu sprechen und so ein gewisses Maß an Führung zu ermöglichen. Viertens, und das war das Wichtigste, wollte Leo einfach bei Kate und Reed bleiben, denn die Alternativen dazu, ein Leben bei den Eltern oder ein Internat, waren undenkbar beziehungsweise nicht erstrebenswert.
    Natürlich war es wieder einmal an Kate hängengeblieben, das 41

    angekratzte Ego ihres Bruders aufzupäppeln. Mit seinem ältesten Sohn hatte er sich über den Vietnamkrieg zerstritten. Seinem zweiten Sohn, Leo, hatte er sich entfremdet. Und nun unterstellte er Kate, die
    – wenig fraulich – keinen eigenen Nachwuchs besaß, bereits ein Auge auf den dritten, Ted, geworfen zu haben, der in die achte Klasse ging. Aber Kate hatte ihn überzeugen können, daß es für viele junge Leute wie Leo besser sei, wenn sie nicht zu Hause lebten, sondern auswärts, was gewiß stimmte. Ted aber, der dritte Sohn und schon jetzt fähig, seinem Vater ein zu üppiges Taschengeld abzu-schwatzen, hing mit seinen dreizehn Jahren noch zu sehr am süßen Leben, als daß Kate ihm Unterschlupf gewähren wollte, wenn er zu ihr käme. Bei den Basketballspielen versuchte Kate manchmal, sich ihren Bruder und ihre Schwägerin als Zuschauer vorzustellen, aber jedesmal erlitt ihre Phantasie Schiffbruch. »Einige Menschen«, hatte sie zu Reed gesagt, »sind einfach geborene Tanten und Onkel. Eine ebenso wertvolle wie unterschätzte Rolle.«
    »Aber diese Rolle wäre einfacher«, hatte Reed geantwortet,
    »wenn du dich an einen chaotischen Neffen von einem Meter siebzig hättest halten können oder noch besser: an eine Nichte. Man kann Basketball nämlich auch leid werden.«
    »Es fasziniert mich«, hatte Kate gesagt. Und Leo unterhielt sich mit Reed gern über andere Dinge. So waren alle zufrieden.
    Mit großem Schlachtgeschrei, barmherzig begleitet vom gleich-zeitigen Abschwellen der Rockmusik, kamen die Mannschaften zurück. Die Spieler schälten sich aus ihrer warmen und schmückenden Verpackung, und der Lautsprecher verkündete einen nach dem anderen die Namen der Spieler. Der jeweils Genannte trat einen schnellen Schritt nach vorn, blieb stehen und wich allen Blicken aus.
    Als beide Mannschaften in Reih und Glied standen, gaben sich die Kapitäne die Hand – Kate fühlte sich beim Anblick dieser widerwillig vollführten Geste daran erinnert, daß das Händeschütteln angeblich Überbleibsel der Untersuchung des

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