Toedliches Fieber
große breite Nase und einen gewaltigen Kopf mit ergrauendem Haar. Bei der Vorstellung, dass dieser Mann Livia berührte, hätte Seth sich beinahe übergeben.
Cassius wurde unruhig. »Richtig, doch wo steckt denn nur meine Braut? Ich bin schließlich nicht gekommen, um mir einen kranken Sklaven anzusehen. Livia wird heute Abend doch singen, oder?« Er schob Domitus aus dem Zimmer.
Seths Knöchel wurden weiß, so fest ballte er die Fäuste, und er musste seinen keuchenden Atem beruhigen, als er den beiden Männern nachsah.
Flavia stand wieder am Fenster und beobachtete ihn. Sie seufzte schwer, sie hatte genug gesehen. Seit Tagen verriet Seth ihr im Fiebertaumel, worum er sich sorgte und ängstigte. Doch bis jetzt hatte sie noch gehofft, es handele sich um fiebrige Fantastereien. Eben hatte sie aber sehr wohl mitbekommen, wie er sich zusammenreißen musste, um nicht zu zeigen, dass er Cassius verabscheute. Der Grund war nicht schwer zu erraten. Flavia war nicht dumm. Sie wusste genau, wie schön Livia war. Dazu kam, dass die Menschen sich zu ihr hingezogen fühlten. Hatte sie nicht auch Domitus und sie selbst in ihren Bann geschlagen?
Es war nicht zu übersehen, dass Sethos Leontis sich in ihre Tochter verliebt hatte.
Flavia biss sich auf die Lippe, um das Schluchzen zu unterdrücken,das sie beinahe verraten hätte. Innerlich hatte sie am Vortag, als sie ihn geküsst hatte, bereits gemerkt, dass er sie nicht begehrte. Doch sie hatte gehofft, ihn mit der Zeit für sich gewinnen zu können. Aber jetzt musste sie sich eingestehen, dass daraus nichts werden würde. Die Eifersucht krallte sich kalt in ihre Seele und erfüllte sie mit Bitterkeit. Als sie den Männern folgte, beschloss sie, rasch zu handeln.
Durch seine verzweifelten Träume hörte Seth ein seltsam sinnliches Lied, das sich um gekonnt gezupfte Töne wob. Im tiefsten Inneren wusste er, dass es Livia war, die dort sang. Ihre Stimme rief ihn, sie erinnerte ihn daran, dass er etwas Bestimmtes tun musste.
Erschrocken wachte er auf. Es war dunkel. Ihr Duft lag schwer im Raum.
»Livia?«, flüsterte er.
Ihre Lippen streiften sein Ohr. »Seth, ich habe keine Zeit. Sie wissen von uns … Ich soll morgen früh verheiratet werden. Die Wachen sind auf dem Weg … ich muss schnell weglaufen!«
»Livia!«, stöhnte er. »Ich komme mit!«
»Nein, Sethos! Das geht nicht. Ich komme zurück und hole dich. Ich liebe dich.«
Dann war sie fort.
Er wollte aufstehen und ihr folgen, doch man hatte ihn ans Bett gebunden. Hilflos lag er da und fühlte, wie die Wut in ihm hochkochte.
Die Falle
Londinium
152 n. Chr.
»Sethos.«
Seth wollte die Augen nicht öffnen.
Er hatte um sich geschlagen – in diesem Chaos aus Verzweiflung und Zorn, das sich immer schneller um ihn drehte, bis ihm übel wurde. Und im Auge des Sturms hatte Livia gestanden, ganz klein, und dann war sie verschwunden. Während er sich auf seiner Bettstatt wälzte, zuckten grelle Blitze der Angst in der Dunkelheit. Livia schrie. Sie schrie seinen Namen. Mit wild schlagendem Herzen wehrte er sich gegen den Strick, mit dem man ihn ans Bett gefesselt hatte. Nicht einmal als Gladiator hatte er sich so sehr wie ein Gefangener gefühlt. Er war alldem so hilflos ausgeliefert, dass er kaum noch wusste, wer er war. Sethos hatte nichts … er war ein Nichts …
»Sethos, wach auf!«
Das war nicht die Stimme, nach der er sich sehnte. Er drehte den Kopf weg.
»Schnell, Sethos, ich habe eine Nachricht für dich – von Livia.«
Er riss die Augen auf. Vibia, die alte Köchin, kauerte verängstigt an seinem Lager. »Sie haben sie entdeckt, auf der Flucht … Die Hochzeit hat schon stattgefunden.«
»Wann?«, stieß er hervor.
»Gestern. Man hat dir Betäubungsmittel gegeben.«
»Wo ist sie?«
»Sie haben sie in Cassius’ Villa verschleppt.«
»Oh, ihr Götter!«, stöhnte er. Er konnte es nicht ertragen.
Seth legte den Arm über die Augen. Er konnte Vibia nicht ansehen und nie wieder in den Spiegel schauen. Er hatte Livia in höchster Not im Stich gelassen. Jetzt sah er die Zukunft in den schwärzesten Farben und ließ alle Hoffnung fahren.
»Sethos – noch ist nicht alles verloren«, zischte Vibia, die gehetzt von ihm zur Tür und zurück blickte.
Seth sah sie an.
»Ich habe eine Nichte, sie arbeitet als Sklavin in Cassius’ Haushalt. Wir können ihr vertrauen …«
»Aber, Vibia …«
Auf einmal richtete sich die Köchin auf und sprach lauter. »Ich hole dir gleich etwas Brot. Schön, dass du
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