Toedliches Fieber
wieder wach bist.« Mit einem warnenden Blick stand sie auf.
»Ah, Vibia, mit dem Essen müssen wir noch ein wenig warten«, sagte Flavia und kam auf das Bett zu. »Der Arzt ist da.«
»Selbstverständlich, Herrin.«
Seth schloss die Augen und bereitete sich auf die neuen Besucher vor. Er versuchte, Flavias kühle, besitzergreifende Berührung zu ignorieren. Als er merkte, dass der Grieche sich über ihn beugte und den Verband untersuchte, verspannte sich sein ganzer Körper.
Tychon räusperte sich respektvoll.
»Herrin, ich brauche etwas Zeit, um den Gladiator zu untersuchen. Ich werde die Haussklavin rufen, um dich zu holen, wenn ich fertig bin.«
»Meinetwegen.« Widerwillig verließ Flavia das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Sobald sie nicht mehr in Hörweite war, sprach Tychon Sethos auf Griechisch an. »Was quält dich, Gladiator? Du kämpfst die ganze Zeit gegen meine Medizin an. Du bist stark wie zehn Hengste und doch liegst du immer noch im Fieber. Du wehrst dich gegen den Schlaftrunk, du hast deine Wunde schon zwei Mal wieder aufgerissen … die Haut um die Verletzung ist dünn, ich kann sie nicht ewig wieder zunähen. Du musst die Heilung zulassen. Willst du leben? Oder haben dir die Jahre als Gladiator das Leben verleidet?«
Seth schüttelte den Kopf. »Ich will schon leben, Tychon. Ich muss wieder so stark werden wie vorher. Ich muss unbedingt hier raus. Ich halte es nicht aus, wie ein Tier angebunden zu sein.«
»Wenn ich dich losbinde, heilt die Wunde nicht.«
»Muss ich denn unbedingt ans Bett gebunden werden? Kannst du die Schulter nicht so ruhig stellen, dass ich mich hinsetzen und herumlaufen kann? Meine Beine kann ich doch noch gebrauchen … und meine Hände …«
Tychon kratzte sich am Kopf und dachte nach.
»Nun, ich sehe mir die Naht mal an und prüfe die Schwellung …«
Seth wappnete sich für den Verbandswechsel, doch diesmal schärften der brennende Schmerz des Feuerwassers unddie Folter der sorgsamen Säuberung und Untersuchung seinen Verstand. Er war entschlossen, seine Kräfte wiederzugewinnen, um Livia aus ihrem Gefängnis zu befreien.
Da Tychon seine Helfer heute nicht mitgebracht hatte, verzichtete er auf den Aderlass, und Seth dankte Zeus für diese Gnade. Als die Wunde frisch verbunden war, rief Tychon Vibia, statt ihn wieder ans Bett zu binden.
»Bitte bring sauberes Leinzeug und reiße es in Streifen, die so lang und so breit sind.« Er zeigte die Maße mit den Händen an.
Vibia nickte und ging. Als sie mit einem ordentlichen Stapel beigefarbenen Leinens zurückkehrte, legte Tychon die Streifen vorsichtig auf den Marmortisch neben dem Bett.
»Danke, Vibia. Kannst du noch kurz hierbleiben und mir helfen?«
Als Tychon Sethos mit Vibias Hilfe in eine sitzende Position half, stöhnte Sethos vor Schmerzen.
»Das war deine Idee, denk dran«, warnte ihn Tychon.
»Es geht mir gut«, keuchte er.
Dann legte Tychon Seths linken Arm sanft an den Körper und band die Leinenstreifen um Schulter und Arm, bis alles fest verschnürt war. Als er den letzten Streifen verbraucht hatte, baute er sich mit verschränkten Armen vor seinem Patienten auf.
»Du darfst diese Hand nicht benutzen. Bewege dich mit höchster Vorsicht. Verhindere um jeden Preis, dass die Schulter einen Stoß bekommt. Ich will die Wunde nicht noch mal nähen müssen. Wenn es in der Schulter sehr heiß wird, musst du mich sofort rufen lassen. Die Schlafmittel, dieich dir abends verabreiche, wirst du schlucken, ohne zu murren, und dreimal täglich nimmst du die blutreinigenden Heilkräuter ein, die ich gleich zubereite. Enttäusche mich nicht, Sethos.«
»Danke«, flüsterte Seth.
»Ich bringe dich hinaus«, sagte Vibia.
Seth saß auf der Bettkante und atmete stockend. Der Schmerz ließ nach und verwandelte sich in das erträgliche vertraute Pochen. Sein Kopf war so klar wie seit Tagen nicht mehr. Oder vielleicht seit Wochen? Er wusste gar nicht, wie lange er schon hier lag.
Als Vibia ihm Brot, Trockenobst und warmen Honigwein brachte, aß und trank Seth dankbar und mit Appetit. Von der Bettkante aus wirkte das Zimmer ganz anders. Jetzt erst merkte er, wie schön der Raum war: luftig mit hellblau gestrichenen Wänden, die mit schlichten weißen Spiralen geschmückt waren. Der Boden war in einem einfachen geometrischen Muster in Grau-weiß gefliest und der graue Marmortisch mit feinen blauen Adern durchzogen. Seine Lagerstatt hatte ein verschnörkeltes Kopfende und war ebenfalls grau
Weitere Kostenlose Bücher