Toedliches Geheimnis
schöne, dicke Scheibe ab und lege sie auf einem Brett vor ihn hin.
»Wozu ist das?«, fragt er.
»Du hast doch gesagt, du wolltest lernen, Skulpturen zu machen, oder?«
Ben nickt zögernd und nimmt den Klumpen Ton. Langsam bewegt er die Hände über die Oberfläche, aber es ist offensichtlich, dass er nicht weiß, was er damit anfangen soll.
»Er wird dich nicht beißen«, sage ich und fülle eine Tasse Wasser am Spülbecken. Ich tauche einen Schwamm in die Tasse und drücke dann ein paar Topfen Wasser über seine Finger, damit er den Ton besser anfeuchten kann. »Du musst dein Werkstück immer gut befeuchten, sonst trocknet es aus.«
Er drückt mit den Fingerspitzen in den Ton, aber es ist fast, als könne er nicht loslassen, als hielte er einen Großteil seiner selbst zurück.
»So«, sage ich und krempele seine Ärmel bis zu den Ellenbogen auf. »Versuch mal, dich darauf einzulassen.«
»Ich weiß nicht.« Er schüttelt den Kopf. »Vielleicht ist Bildhauerei doch nicht mein Ding.«
»Probier’s doch einfach mal.« Ich krempele meine Ärmel ebenfalls hoch und lege meine Hände sanft auf seine. Zuerst zuckt Ben zusammen. Die Sehnen in seinen Armen sind angespannt. Aber dann führe ich meine Finger über seine und helfe ihm, den Ton zu kneten. Gemeinsam rollen wir ihn unter unseren Handflächen aus, und schließlich lässt die Spannung in seinen Fingern nach.
Bens Atem geht langsam und gleichmäßig, so als würde er sich alle Mühe geben, sich zu konzentrieren.
»Du wirst mir nicht wehtun«, sage ich und gleite mit
der Hand seinen Unterarm hinauf und berühre dann seine Narbe. Meine Finger fahren darüber und machen die Haare an seinem Arm ganz schmierig und nass.
Ben schaut mir in die Augen.
»Ist das zu viel?«, frage ich und spüre dabei meinen eigenen Atem und dass mein Herz besonders schnell schlägt.
Ben macht den Mund auf, um etwas zu sagen, doch dann schweigt er und lässt zu, dass ich weiter seine Hände über den Ton führe. Unsere Finger verschränken sich und drücken auf die Oberfläche des Klumpens und formen dabei Dellen und Hügel. Nach einigen Minuten haben wir etwas geformt, das aussieht wie ein birnenförmiger Tannenzapfen.
»Nicht schlecht«, sage ich und bemerke die Symmetrie. »Was meinst du?«
Ben sieht mich an. Seine Augen bohren sich in meine, als hätte er etwas Wichtiges zu sagen.
»Was ist los?«, frage ich. »Hast du etwas gespürt, das ich wissen sollte?«
Er streckt die Hand aus, um mich zu berühren. Seine Haut fühlt sich feucht und glitschig an. »Schsch...«, sagt er und konzentriert sich. Er fährt mit den Handflächen über meine Unterarme und gleitet dann hinauf in Richtung Schultern, unter meine Ärmel.
Mein Puls rast. Mein Magen schlägt Purzelbäume. Ben streicht mir mit der Hand über die Wange.
Ich schließe die Augen und fühle seine Finger in meinem Nacken. Er zieht mich näher zu sich, und meine Wange berührt sein Kinn.
»Entspann dich«, flüstert er mir ins Ohr.
Und dann küsst er mich. Seine tonverschmierten Finger fahren über den Rücken meines T-Shirts, über meine Haut, und ich schmelze dahin.
Ich umfasse Bens Gesicht mit den Händen und küsse ihn, spüre wieder seinen Griff um meine Unterarme - das raue Gefühl seiner Hände, die meine Handgelenke umklammern.
»Wird es dir zu viel?«, frage ich, als wir uns aus dem Kuss lösen.
Er schüttelt den Kopf und schiebt unser Arbeitsbrett auf die Seite. Dann hebt er mich hoch und setzt mich auf die Tischplatte. Sein Becken drückt gegen meine Oberschenkel.
»Ist das gut so?«, flüstert er mir ins Ohr. Sein Atem ist heiß und feucht.
Ich bringe ein Nicken zustande, und dann küssen wir uns noch eine ganze Stunde - bis der Ton austrocknet und von unserer Haut abbröckelt.
Bis mir ganz schwindelig wird und ich kaum noch gerade stehen kann.
45
Nachdem Ben mich zu Hause abgesetzt hat, liege ich wach im Bett und frage mich, ob das alles wirklich geschehen ist oder ob es nur ein Traum war.
Ich weiß, das klingt irgendwie verrückt, und normalerweise würde ich lachen, wenn Kimmie oder sonst wer mir etwas auch nur annähernd Ähnliches erzählen würde. Und wenn da nicht noch immer das vibrierende Gefühl auf meinen Lippen oder die elektrisierende Spannung wären, die durch meine Adern pocht, dann würde ich schwören, dass der heutige Abend ein einziges Fantasiegebilde war, das meinem Unterbewusstsein entsprungen ist. So unglaublich war dieser Abend.
Zum Frühstück tischt Dad mir süßes
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