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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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mehr an Ihrem Schreibtisch, aber Sie sagten ja schon, dass Sie gerade nicht zur Arbeit gehen. Tobias fehlt, natürlich. Sie waren nicht im Fitnessstudio, nicht einkaufen. Und beim ersten Mal habe ich auch eine Frau gesehen, die Sie am Bahnhof abgeholt haben. Etwa Mitte zwanzig, recht klein und schlank, Ihre Haarfarbe. Diesmal fehlt sie.«
    »Das war meine Schwester. Sie wollte mich besuchen, für ein paar Tage. Sie wohnt in einem kleinen Kaff, kommt manchmal zum Shopping her. Ich habe ihr abgesagt.« Er zögerte. »Aber sonst ...?«
    Ich wusste, was Sam meinte. »Die Schüsse bleiben. Sie gehen in einen Raum, und Sie werden erschossen.«
    »Aber ...«, setzte er an, ich hob die Hand.
    »Bitte haben Sie Geduld. Das Ergebnis ist das gleiche, aber der Ablauf ist anders.«
    »Weißwein statt Rotwein?«
    »Ja.«
    Ich schloss die Augen, erinnerte mich an das erste Mal, als ich Sam auf dem Weg zu seiner Ermordung begleitet hatte. Er hatte bislang immer noch nicht nach dem genauen Ablauf gefragt, ich hatte ihm ein wenig aus eigenem Antrieb erzählt – jetzt wurde es Zeit für die komplette Story.
    »Beim ersten Mal waren Sie in der Arbeit. Es war früher Abend, Feierabend. Sie sind zu einem Aufzug gegangen, und während sie gewartet haben, bekamen Sie eine SMS. Sie sind in einer Tiefgarage in Ihr Auto gestiegen, durch die Stadt gefahren, bis zu einem Wohnhaus. Ein Hochhaus, hässlich, wie ein Plattenbau. Heruntergekommen, aber bewohnt. Sie sind mit dem Aufzug in den obersten Stock gefahren, haben bei einer Wohnung geklopft. Die Tür war nur angelehnt und schwang auf. Sie haben gerufen. 'Hallo? Ich bin's, Sam'. Dann sind sie rein gegangen. Sie haben nach dem Lichtschalter getastet, aber es ging kein Licht an. Jemand hat Sie angesprochen, Sie haben einen der Räume betreten. Zweite Tür rechts. Dann blitzte es, Sie fielen zu Boden, mit einer Kugel in der Brust. Keuchten vor Schmerz. Eine Gestalt ging auf Sie zu und ein weiterer Schuss fiel. Die Kugel traf Sie im Kopf. Sie starben.«
    Sam trank mit zitternder Hand einen Schluck Wasser und ich empfand Mitleid: Ich hatte es so schlicht wie möglich erzählt, aber der eigene Tod konnte wohl niemals schlicht sein, so banal und schnell er auch war.
    »Möchten Sie eine Pause?«, fragte ich Sam, der rieb sich über das Gesicht, als wollte er seine Angst abwaschen.
    »Nein. Was ist mit der Wohnung? Wem gehört sie? Was für ein Name steht an der Tür?«
    »Ich sagte schon einmal, dass es dämmerig ist und ich nicht viel erkennen kann. Die Wohnung sieht unbewohnt aus und ich glaube, Ihr Mörder nutzt sie, weil er weiß, dass sie nicht abgeschlossen ist. Aber das war die alte Version, die erste Version. Was ich jetzt gesehen habe, ist anders.«
    »Okay.« »Sie bekommen die SMS nicht in der Arbeit, sondern sitzen diesmal bereits im Auto. Sie lesen sie. Sie antworten: 'Warum sollte ich das tun?'.«
    »Moment. Was steht in der SMS?«
    »Das kann ich nicht sehen.«
    »Aber ...«
    »Sam, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, zu Beginn unseres ersten Termins. Ich kann keine Gedanken erkennen. Ich sehe lediglich, was Sie tun. Sprechen, Schreiben, Tippen, das ist Tun. Wenn Sie stumm lesen, dann passiert das nur in Ihrem Kopf, und da kann ich nicht reinschauen.«
    »Sie wühlen in meinem Magen herum, aber in meinen Kopf können Sie nicht schauen?«
    »Nein. Und ich wühle nicht, glauben Sie mir. Ich bewege mich so wenig wie möglich.«
    »Mist. Aber ...« Er hielt inne, ich lächelte und sah ihm beim Denken zu, bis sich sein Gesicht aufhellte.
    »Wenn ich das weiß ...«
    »Genau. Ich komme noch einmal raus.«
    »Sehr schön«, sagte ich, als ich wieder saß, »Sie haben die SMS vorgelesen, als Sie sie erhalten haben. Sie lautet: 'Komm in die St. Veith-Straße 16, oberster Stock, 3. Tür links. Jetzt'. Und Sie tippen eine Antwort: 'Warum sollte ich das tun?' Sie haben angehalten, auf einer Busspur am Straßenrand, sitzen im Auto, warten auf eine Antwort. Und als die kommt, lesen Sie sie wieder vor. 'Weil wir uns sonst deine Freundin holen'.«
    Sam schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Freundin.«
    »Egal, so steht es da. Aber Sie antworten genau das, was Sie mir gerade gesagt haben. Und warten erneut. Es piepst mit einer neuen Nachricht.«
    »Und die lautet?«, fragte Sam ungeduldig.
    »Ein Wort. 'Pythia'. Sie tippen 'ok' und fahren los. Zu diesem Haus, und gehen hinein. Diesmal ist die Szene etwas anders: Sie rufen nicht mehr, sondern gehen ganz gezielt in ein Zimmer.«
    »Wie kann das

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