Tödliches Orakel
sein?«
»Weil ich Ihnen eben gesagt habe, wo sie den Mann finden. Der Mann spricht mit Ihnen und Sie wiederholen, was er sagt, damit ich es sehen kann. Wenn Sie ihm antworten. Sie sagen, sie hätten es nicht dabei. Sie wüssten gar nicht, was 'es' ist. Verlangen, dass er es ihnen sagt. Sie hätten versucht, es selbst herauszufinden, aber Sie bräuchten einen Tipp. Sie klingen verzweifelt. Sie bekommen keine Antwort, der Mann richtet die Waffe auf Sie. Sie fragen, ob er Tobias umgebracht habe. Warum Tobias habe sterben müssen. Sie versichern, dass Tobias Ihnen nichts gegeben oder erzählt hat. Der Mann lacht. Hören Sie auf zu lachen, sagen Sie. Dann werden Sie erschossen. In die Brust, in den Kopf.«
»Beim ersten Mal wusste ich nicht, was mich erwartet. Und jetzt gehe ich hin, weil ich erpresst werde. Man droht mir damit, Ihnen etwas anzutun.«
»Ja.«
»Macht Ihnen das keine Angst?«
Ich dachte nach, fand aber nichts, was Angst nahe käme. Nur ein wenig Unwohlsein, höchstens.
»Nein. Es würde diesem ominösen Kapuzenmann nichts nützen, mir etwas anzutun, solange Sie nicht wissen, was man von Ihnen will. Man hat Sie ja zu mir geschickt, damit ich Ihnen helfe. Also brauchen die mich.«
»Bis ich tot bin. Vielleicht halten die sich an Sie, wenn ich weg bin?«
»Das glaube ich nicht. Man will Sie nicht wirklich töten.«
Sam erstarrte. »Wie bitte? Ich dachte, deswegen bin ich hier!«
»Ich habe mich falsch ausgedrückt, lassen Sie es mich anders erklären. Ja, man will Sie umbringen. Der Plan steht, das muss er auch, sonst würde ich es ja nicht sehen. Aber der, der diesen Plan gemacht hat, kann sich anders entscheiden. Und das wird er, wenn er hat, was er möchte. Der Termin bei mir, der soll Ihnen sagen, dass Ihnen der Tod droht, wenn Sie nicht tun, was diese Leute wollen. Der Termin ist eine Warnung. Das alles ist so gestrickt, dass Sie eine Heidenangst haben und losrasen, um dieses geheimnisvolle 'es' zu beschaffen. Und es ist Sinn der Sache, dass Sie das hinkriegen. Es abliefern. Und überleben.«
»Sie klingen, als wüssten Sie diesen Plan irgendwie zu schätzen«, sagte Sam ein wenig angewidert.
Ich lächelte. »Durchaus. Er ist raffiniert. Es stört mich, dass man mich da hineingezogen hat, aber der Plan an sich ist originell.«
Sam sah weniger beeindruckt aus. Er stützte den Kopf in die Hände und malträtierte seine Haare, ich ließ ihn nachdenken.
»Es könnte sein, wie Sie es gesagt haben«, erwiderte er dann mit ein wenig Hoffnung in der Stimme. »Dass man mich gar nicht erschießen will. Mir nur Dampf machen will. Dampf und ... Angst.«
»Ja. Aber bedenken Sie, dass ich nichts über diesen Menschen und seine Pläne weiß. Ich kann Ihnen nur meine Meinung sagen. Und diese lautet: Das Erschießen ist eine Motivation. Die ultimative Motivation. Man will dieses 'es', nicht Sie. Finden Sie heraus, was das ist, und ich bin mir sicher, dass Ihre Zukunft anders aussehen wird. Dass Sie nicht sterben.«
»Tobias ist gestorben«, wandte Sam ein.
»Ja. Aber Sie versichern mir die ganze Zeit, dass es in Ihrem Leben nichts gibt, was gefährlich ist. Sie wissen nichts, haben nichts, tun nichts. Und Sie sind auch nur der Zweite. Tobias war der Erste – der Erste, von dem wir wissen. Er hat nicht geliefert, und jetzt stehen diese Leute bei Ihnen vor der Tür. Wollen von Ihnen, was sie von Tobias nicht bekommen haben.«
»Sie stehen nicht nur vor meiner Tür«, sagte Sam tonlos, »sie waren schon drin.«
Ich merkte auf. »Wie meinen Sie das?«
»Meine Wohnung wurde auch durchsucht. An dem Freitag, bevor ich diese Karte gekriegt habe. Die Tür war aufgebrochen, als ich aus der Arbeit gekommen bin, die Sachen durchwühlt. Ähnlich wie bei Tobias, aber bei mir haben die den Fernseher auch mitgenommen. Und meine Stereo-Anlage.«
Ich schüttelte den Kopf, mehr als erstaunt über das, was Sam da sagte. Empört. Nein: Wütend war ich.
»Herrgott, warum rücken Sie damit erst jetzt raus?«
»Weil ich es für einen Einbruch gehalten habe!«
Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Vernünftig zu bleiben.
»Ja. Sicher haben Sie das. Das ist ja auch ganz normal. Bis Sie die Wohnung von ihrem brutal ermordeten Freund gesehen haben, die ebenfalls durchwühlt war. Und die haben Sie heute gesehen, Sie haben mir eben erst davon erzählt! War Ihnen der kleine Nebensatz zu viel? Oder haben Sie wirklich nicht verstanden, dass das wichtig sein könnte?«
Sam blitzte mich böse an. »Hören Sie auf, mit mir zu reden,
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