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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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mein Handy gerade steckt?«
    »Wahrscheinlich, das ist alles dasselbe.«
    »Auch Programme, mit denen man einzelne Anrufe umleiten kann? Damit Herr Brunner nicht bei Frau Berger herauskommt, sondern bei jemandem, der ihm sagt, es würde sich für ihn nicht mehr lohnen, einen Wahrsager aufzusuchen? Weil sein jämmerliches Leben in 24 Stunden beendet wäre, wenn er noch einmal diese Nummer wählen würde?«
    Das war wohl selbst Sam eine Nummer zu hart, aber er rang sich trotzdem ein halbherziges Nicken ab.
    »Kann sein«, sagte er. »Aber so was hat jede Telefonfirma. Zumindest diese Programme, die die Anrufe registrieren. Wer wann und mit wem. Das müssen die speichern, für eine bestimmte Zeit. Die Polizei fragt so was ab, wenn sie's brauchen. Und vielleicht braucht die Polizei auch solche Umleitungen?«
    Das mochte ich nicht glauben, aber da weder Sam noch ich uns mit der Arbeit und den Bedürfnissen der Polizei auskannten, brauchten wir das nicht zu diskutieren.
    »Ist das nicht illegal? Das Datenspeichern?«, fragte ich, Sam schüttelte den Kopf.
    »Ja und nein. Das wird immer wieder diskutiert. Die Politiker sagen heute 'Speichern', weil man damit einen U-Bahn-Bomber hätte schnappen können, morgen ist 'Nicht speichern' wieder in, weil jemand schreit, seine Bürgerrechte blieben auf der Strecke. Wenn sich die Regierung aber mal für 'Speichern' entscheidet, muss schnell gespeichert werden können – und deshalb brauchen die Telefonfirmen diese Software. Müssen sie verfügbar haben. Selbst, wenn sie diese nie einsetzen, weil die Datenspeicherung im großen Stil doch nicht kommt.«
    Ich schüttelte den Kopf: Dieses System hatte für meinen Geschmack viel zu viele Hintertüren. Moralische, aber auch ganz Praktische, wie unser aktuelles Problem bewies.
    »Glauben Sie, Tobias Firma steckt dahinter?«, fragte Sam, ich musste mit den Achseln zucken.
    »Keine Ahnung. Was glauben Sie?«
    Sam schwieg, für eine halbe Minute. Eine kostbare halbe Minute, denn sie war bei einem Stundensatz von 9.999 Euro genau 83,325 Euro wert.
    »Ich weiß es auch nicht«, ließ er sich wieder vernehmen. »Tobias hat gesagt, das wäre der neue Billig-Ableger einer großen Firma: die Sparte mit Flatrates und so was. Die knallig-bunte Linie für Jugendliche und andere Vielquatscher. Aber mit guter Technik im Hintergrund. Solide finanziert. Er hat besser verdient als in seinem alten Job.«
    »Eine deutsche Firma?«
    »Nein, skandinavisch. Schwedisch, glaube ich, hervorgegangen aus deren alter Post.«
    Das klang nicht nach Mord und Totschlag.
    »Eins ist sicher«, sagte ich. »Diese Leute haben Zugriff auf Telefondaten. Das kann Zufall sein, aber auch nicht.«
    »Aber was habe ich mit der Arbeit und der Firma von Tobias zu tun?«, fragte Sam, und zwar zu Recht: Wo war da die Verbindung? Es gab keine, zumindest nach jetzigem Stand der Dinge. Also führte diese Spur nirgendwo hin.
    »Okay, machen wir weiter.«
    Sam hob die Hand, bevor ich meine nächste Frage stellen konnte.
    »Warum kommen Sie nicht mal raus und schauen, was Sie jetzt sehen? Was passieren wird? Ich ... bitte. Ich möchte wissen, ob sich schon was geändert hat.«
    »Durch was sollte sich etwas geändert haben?«
    »Seitdem ich das alles weiß, benehme ich mich doch anders. Ich habe Urlaub. Ich war in Tobias Wohnung. Ich war gestern bei Ihnen, ich bin heute hier. Das sind alles Dinge, die ich nicht gemacht hätte, wenn Sie mir nicht gesagt hätten, dass ich erschossen werde.«
    »Das ist richtig. Aber es ist nicht so, dass Kleinigkeiten viel verändern. Wenn Sie statt Rotwein Weißwein trinken, sind Sie nachher trotzdem betrunken.«
    »Bitte.«
    Sams Türkisaugen sahen mich beschwörend an – und ich nickte, auch wenn ich ihm ganz sicher noch nichts würde sagen können, was ihm seine Todesangst nehmen konnte. »Okay, ich komme raus. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel.«
    Er schüttelte den Kopf, ich trat zu ihm in das Konsultationszimmer. Ich tauchte ein und bemerkte, dass er einen ziemlich leeren Magen hatte. Ich vermutete, dass er seinen Mageninhalt noch gestern Nacht oder heute Morgen der Toilette anvertraut hatte, als Folge der durchzechten Nacht: Ich landete in dem doppelten Espresso, den ich ihm selbst serviert hatte, verdünnt mit Wasser, Aspirin und Magensaft. Stark ätzend, aber nicht sonderlich sumpfig.
    »Es haben sich ein paar Dinge geändert«, sagte ich, als ich mich aus ihm befreit und wieder in meinem Zimmerchen Platz genommen hatte. »Ich sehe Sie nicht

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