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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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manipuliert?«
    »Du hast dich neben mich gesetzt, als wir aus der Küche herüber gegangen sind. Ich bin weggerückt.«
    »Bist du. Warum?«
    »Du hättest mir gesagt, dass du magst, wie ich rieche, wenn ich näher gewesen wäre und mir wäre das unangenehm gewesen. Und weil ich uns beide frei lassen wollte, habe ich diese passende Gelegenheit genutzt, um die Zukunft zu verändern.«
    Sam erstarrte und wurde zartrot, zuckte dann mit den Schultern.
    »Schuldig im Sinne der Anklage. Ich mag, wie du riechst, und ich hätte es vielleicht gesagt. Ich mag auch, wie du aussiehst, wie du gehst. Ich mag sogar, wie du mir die Tür vor der Nase zuknallst.«
    »Immer wieder gerne.«
    Wir rauchten schweigend. Der Sturm legte zu: ein naher Blitz, dann noch einer. Hinter uns leuchtete es auf, etwas zerbrach mit grausigem Knirschen, dann knallte etwas Großes, Schweres gegen das Sofa auf der Terrasse. Das Möbelstück kippte um und schlitterte über den Boden, Zweige des abgetrennten Astes schlugen gegen die Scheibe und brachten sie zum Schwingen.
    »Scheiße!«, rief Sam, sprang auf, lief zum Fenster und blickte auf den Ast, dann auf mich. »Das wäre meine Beule gewesen?«
    »Ja.«
    »Scheiße!«
    Ich lächelte, er starrte hinaus in den Sturm, ließ sich dann wieder neben mich fallen.
    »Respekt.«
    »Danke. Allerdings ist jetzt das Sofa hin.«
    »Ich zahl's dir. Scheiße!«
    Er raufte sich die Haare, und als er mich jetzt ansah, ahnte ich, dass gerade in seinem Kopf ein ganz schönes Durcheinander herrschte: Er hatte einen Beweis gewollt, jetzt lag einer auf der Terrasse und qualmte noch etwas vor sich hin.
    »Stell dir vor, du wärst ich gewesen. Du hättest auf diesem Sofa gelegen.«
    Ich fand es unwahrscheinlich, dass ich im Sturm vor meiner eigenen Tür nächtigen würde, widersprach aber nicht.
    »Du hättest den Ast nicht kommen sehen, oder?«
    »Nein. Ich sehe meine eigene Zukunft nicht.«
    »Doch. Könntest du. Wenn du jemanden ansiehst, der immer bei dir ist. Der bei dir lebt. Wenn jemand bei dir wäre, dann könntest du dich selber vor allem Möglichen schützen. Vor den umherfliegenden Ästen des Lebens.«
    Ich antwortete nicht.
    »Und du brauchst auch ein anderes Studienobjekt als immer nur Frau Berger. Um zu üben, normal mit Leuten zu reden.«
    »Warum sollte ich das tun?«, fragte ich und erblinzelte ein zögerliches Lächeln, das Sams ebenmäßige Zähne nur andeutungsweise zeigte.
    »Damit wir zum Fujiyama fahren können.«
    Ich sah wieder auf den Bildband.
    »Oder ins Kino gehen«, lenkte er ein. »Für den Anfang. Du könntest das. Du kannst das jetzt schon.«
    »Nein.«
    »Aber ganz sicher. Wenn du mit jemandem zusammen hingehst. Mit mir. Wenn ich die Karten kaufe, brauchst du den Typ hinter dem Schalter nicht anzusehen. Die Popcorn-Mädels auch nicht. Und wenn du in den Saal gehst, schaust du eh auf den Boden, um deine Reihe zu finden. Um den Leuten nicht auf die Füße zu treten. Wenn der Film läuft, starren alle auf die Leinwand. Und der Ton ist so laut, dass du keinen kauen hören kannst. Oder?«
    Ich nickte: ja, okay. Theoretisch.
    »Du könntest es auch allein. Es laufen da draußen so viele komische Typen rum, und die sind alle hundert Mal seltsamer als du. Es fällt niemandem auf, wenn du Blicken ausweichst. Wenn du länger mit einem Menschen sprichst, dich richtig unterhältst, dann vielleicht. Aber wenn du sagst 'Einmal Avatar um acht Uhr' macht kein Mensch einen Aufstand, wenn du beim Bezahlen auf dein Portemonnaie siehst.«
    Ich trank mein Glas aus. Vielleicht hatte er recht und ich versteckte mich. Aber mein Leben funktionierte, und das war die Hauptsache.
    »Wie viel musst du von einem Gesicht sehen, um in dem Menschen lesen zu können?«, erkundigte sich Sam.
    »Den Mund.«
    »Offen oder geschlossen?«
    »Egal.«
    Er schien nachzudenken, nahm mir dann mein Weinglas aus der Hand.
    »Experiment. Mach mal die Augen zu.«
    Mein Blick glitt misstrauisch über ihn hinweg.
    »Hey, ich mache nichts Schlimmes. Ich möchte nur etwas ausprobieren.«
    »Weil du wissen willst, ob sich was verändert hat.«
    »Nein. Weil ich möchte, dass du mir gleich sagst, dass du rein gar nichts gesehen hast.«
    Im Kamin knackte ein Holzscheit und ließ kleine Funken in der Säule nach oben schweben, ich sah ihnen nach, schloss dann die Augen. Sam fasste mich an den Schultern und drehte mich zu sich um. Er bewegte sich auf dem Sofa, ich spürte, wie das Polster eingedrückt wurde: Er kam näher. Ich rührte mich nicht,

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