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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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mich so oft geküsst, dass ich gar nicht mehr wusste, wann ich eingeschlafen war. Mehr war nicht passiert. Gut oder schlecht? Egal, es war alles so schon kompliziert genug. 'Da leuchtet mir eine Lampe ins Gesicht', hatte er heute Morgen gesagt, als er wach geworden war. 'Das ist ein Lichtwecker. Ich muss arbeiten', hatte ich geantwortet, war aufgestanden und ins Bad gegangen. 'Ich glaube, ich liebe dich', hatte er zu meinem Rücken gesagt, und als ich unter der Dusche gestanden hatte, war ich mehr als nur verwirrt gewesen. 'Wie lange arbeitest du?', hatte er gefragt, als ich fertig gewesen war. Mit Duschen, Zähneputzen, Anziehen. 'Eineinhalb Stunden', sagte ich, und er hatte gefragt, ob er sich in der Küche einen Kaffee materialisieren könne. Ich hatte genickt – unfähig, mir so früh am Morgen über diese Situation Sorgen machen zu können.
    Jetzt war er also gegangen. Nach Hause gefahren. Ich sollte erleichtern sein, meine Kreise wieder für mich zu haben. War ich es auch? Keine Ahnung: Die Übelkeit nach dem unerfreulichen Termin gerade vernebelte mein Gehirn, meine Gedanken über meine Gefühle. Ich wusste nur, dass ich heute Morgen kein 'Ich liebe dich auch' hatte antworten können. Es wäre eine Lüge gewesen. Ich hätte aber auch nicht sagen können 'Ich liebe dich nicht', denn das wäre auch nicht wahr gewesen. Zwischen Lieben und nicht Lieben lag viel. Mögen zum Beispiel. Gern haben auch. Es war kompliziert, das war das Einzige, was ich ziemlich genau wusste. Und ich wusste auch, dass Sam zwar meine Kreise wieder verlassen konnte, dass er aber trotzdem seine Spuren darin hinterlassen hatte. Mit seinen kunterbunten Tennisschuhen in meinem sorgfältig gerechten Kies.
    »Er holt seine Sachen. Er möchte bei Ihnen bleiben«, sagte Frau Berger zu meinem Rücken, ich drehte mich um.
    »Haben Sie ihm gesagt, dass das nicht möglich ist?«
    »Ich glaube, das sind Worte, die er nicht kennt«, antwortete sie, und ich musste nicken: Nein, das würde Sam nicht verstehen.
    Frau Berger streckte mir die Tüte hin, ich ging die paar Schritte zurück und holte sie.
    »Sie sehen besser aus heute Morgen«, sagte sie. »Ein bisschen glücklich. Er tut Ihnen gut.«
     
    ***
     
    Als ich die Tür zur Garage hinter mir geschlossen hatte, hörte ich Stimmen in meiner Eingangshalle. Eine gehörte Sam, die andere einer Frau. Im Wohnzimmer stand eine geräumige, alt aussehende Reisetasche, gut gefüllt. Die Frauenstimme sagte 'Tschüss', Sam antwortete ebenso, eine Tür wurde geschlossen. Dem Geräusch nach die Haustür. Ich hörte Schritte in die Küche gehen, etwas piepste, dann fluchte Sam und klapperte mit irgendetwas. Es plätscherte. Ich sah um die Ecke. Aus der Cappuccinomaschine ergoss sich ein stetiger Strom Wasser in eine winzige Espressotasse, über deren Rand, über die Auffangschale, auf den Boden. Sam drückte auf alle verfügbaren Tasten, entlockte der Maschine aber nicht mehr als ein protestierendes Fiepen: Wahrscheinlich war das sein Versuch, sich einen Kaffee zu materialisieren.
    Ich schob ihn zur Seite, holte eine kleine Kanne aus einem Schrank und tauschte sie schnell gegen die überlaufende Tasse. Natürlich landete dabei noch mehr Wasser auf dem Boden – hellbraunes Wasser mit Resten von Kaffeepulver.
    »Ich wollte nur Kaffee«, sagte Sam, und es klang, als wäre meine Maschine schuld an diesem fundamentalen Missverständnis.
    »Das ist das Reinigungsprogramm«, sagte ich nach einem Blick auf das Display. »Es pumpt den ganzen Wassertank einmal durch.«
    »Ich habe aber auf Kaffee gedrückt.«
    Ich tauschte die volle Kanne gegen eine andere aus, warf einen zweiten, einen deutlicheren Blick auf den feuchten Boden. Sam schnappte sich eine Rolle Küchenpapier.
    »Deine Putzfrau hat sich total erschrocken, als ich auf einmal im Wohnzimmer stand. Sie ist nett«, sagte er, während er die Pfütze auf dem Boden beseitigte und ich die leere Kanne für den nächsten Austausch bereithielt.
    »Kann sein«, sagte ich und ahnte mehr als das ich sah, dass er erstaunt zu mir hochblickte.
    »Hast du noch nie mit ihr geredet?«
    »Geredet? Nein. Kommuniziert ja. Sie kommt immer, wenn ich einen Kunden habe.«
    Sam wischte, die Maschine röchelte die letzten Tropfen Wasser heraus, schickte eine Wolke brühendheißen Dampf dahinter her. Ich riss meine Hand weg und fluchte.
    »Ihr kommuniziert? Schreibt ihr euch Briefe oder was?« Sam schien amüsiert zu sein.
    »Nein. Post-its. Pass auf, dass nichts unter den Schrank

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