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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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was mit mir passiert.«
    »Was du sagen wirst, was du tun wirst. Weil die Leute mit dir ... interagieren. Auf dich reagieren.«
    »Genau«
    »Und das möchtest du nicht?«
    »Würdest du das wollen? Schon wissen, was ich als Nächstes sagen werde?«
    Sam schüttelte den Kopf. »Nein. Es wäre langweilig.«
    »Einmal das. Und man kann das Leben seines Partners manipulieren, wenn man in die Zukunft sehen kann.«
    »Wie?«
    »Nun ... Sagen wir, du bist seit zehn Jahren verheiratet. Deine Frau kann in die Zukunft sehen. Du hast es satt, dass sie sich nicht für deine Arbeit interessiert, dass sie nie danach fragt. Du willst ihr das sagen, und es würde Streit geben. Sie sieht das kommen und fragt dich, wie es in der Arbeit war.«
    »Nicht, weil es sie interessiert, sondern um den Streit zu vermeiden?«
    »Genau.«
    »Aber das wäre doch nicht so schlecht, oder? Sie könnte mir jeden Wunsch von den Augen ablesen.«
    Ich lachte. »Ja, klar. Oder verhindern, dass du dein Leben so lebst, wie du es willst. Wäre das auch gut?«
    »Nein.«
    Ich trank einen Schluck.
    »Manipulierst du gerade? Manipulierst du mich?« Sam klang nicht misstrauisch, eher interessiert.
    »Jetzt gerade? Nein. Aber ich habe es eben getan. Zweimal.«
    »Wann?«
    »Ich habe dich das letzte Mal angesehen, als ich dich aus diesem Inferno da draußen reingeholt habe. Da habe ich mir angeschaut, was mit dir in dieser Nacht passiert, wenn du draußen bleibst.«
    »Ja. Du hast gesagt, es wäre das kleinere Übel, wenn du mich reinholst.«
    »Es wird ein Ast von dem Baum dort hinten abbrechen und auf das Sofa knallen. Du hättest eine schöne Beule bekommen, wenn du da gelegen hättest. Ich habe dich eingeladen, hereinzukommen, und das war eine Manipulation deiner Zukunft.«
    Sam dachte nach. »Erst mal: danke. Aber warum wusstest du das noch nicht? Das von der Beule? Warum musstest du mich dazu da draußen ansehen?«
    »Woher hätte ich das wissen sollen?«
    »Du weißt doch, wie meine nächsten Tage aussehen. Bis zu deinem Tod.«
    »Nein.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    »Erklär's mir.« Er trank sein Glas leer. »Ich glaube, ich habe das immer noch nicht richtig verstanden.«
    »Man kann es nicht richtig begreifen. Weil es 'die Zukunft' so nicht gibt. Sie ist in Bewegung.«
    »Ich bewege mich auch mal eben und hole noch Wein, ja?«
    »Sicher.«
    Seine bloßen Füße in der etwas zu kurzen Hose patschten in die Küche.
    »Wo war noch mal der Kühlschrank?«, rief er, ich lächelte in mein Glas.
    »Rechts. Die äußerste Tür.«
    »Ah. Danke.« Es klirrte, dann Stille. »Möchtest du Käse?«
    Ich seufzte. Wie oft hatte ich das mit dem Essen jetzt erwähnt? Hundertmal? Tausendmal? Sam interpretierte mein Schweigen richtig.
    »Sorry. Dann Weintrauben? Oder schleimen die auch?«
    Ich kapitulierte, Essen und Sam schienen untrennbar miteinander verbunden zu sein.
    »Nein. Du kannst Weintrauben essen. Ich habe nicht vor, dich anzusehen.«
    Sam kam zurück, die Schale mit den Früchten in der einen, eine Weinflasche in der anderen Hand.
    Ich blinzelte auf das Etikett. »Das ist Eiswein. Süß. Nachtischwein.«
    »Und?«
    »Wir hatten Chardonnay.«
    »Ups.«
    »Hol dir den Käse, dann passt es wieder.«
    Als er wieder neben mir saß und eine Handvoll Weintrauben in meinem Blickfeld erschien, hatte ich mir überlegt, wie ich beginnen würde. Wie ich ihm aufzeigen konnte, wie das mit der Zukunft war, und warum es manchmal ganz anders kam.
    »Ich erkläre es dir an dir selbst. An dir und mir. Warum die Zukunft niemals in Stein gemeißelt ist.«
    »Schieß los.«
    »Gut.« Ich aß eine Traube. »Vorneweg zwei Dinge. Erstens: Wenn ich in dich oder einen anderen Menschen hinein sehe, dann betrachte ich so etwas wie ein Foto. Ein Foto ist die Aufnahme eines Moments.« Sam nickte in meinem Augenwinkel, ich bekam ein Stück Käse angereicht. »Die Zukunft, die ich sehe, ist genauso starr. Ich sehe jetzt in einen Menschen, und ich sehe, wie die Zukunft ab genau diesem Moment aussehen wird.«
    »Ja. Das habe ich verstanden.«
    »Gut. Dann kommt die zweite Sache ins Spiel. Du hast sicher schon mal gehört, dass es so etwas wie objektive Beobachtung nicht gibt. Wenn ich etwa eine Maus in einen Käfig sperre, wird sie sich kaum natürlich bewegen. Weil der Käfig unnatürlich ist.«
    »Klingt logisch.«
    »Also: Ich schaue dich an, sehe seine Zukunft. Und natürlich ist das schon eine Zukunft, die ohne mich, ohne deinen Besuch bei mir ganz anders verlaufen wäre.«
    »Das verstehe ich

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