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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die feine Art, einen Mann im Sitzen auszuknocken.«
    Die grauen Augen. Das gleiche Lächeln …
    Tim setzte sich in Bewegung. Dort – die Tür! Dort drüben mußte er raus. Koste es, was es wolle. Und gleich!
    »Haben Sie Schmerzen?«
    Was wollte er noch von ihm?
    »Ich bedaure zutiefst. Bei mir war es eine Art Reflex, gewissermaßen aus dem Instinkt. Ich trainiere Karate. Aber ich wollte Ihnen nicht weh tun, wirklich nicht. Sie ließen mir ja keine andere Wahl, Herr Doktor.«
    Herr Doktor? – Mein Gott! Tim sah plötzlich sein Haus vor sich. Das Wartezimmer mit den blauen Stühlen. Die Ordination … Das Kaminfeuer am Abend! Und genau dieses Bild war zuviel. Es wurde ihm wieder übel, und er fürchtete, sich übergeben zu müssen. Nur das nicht …!
    Aber er hatte die Tür erreicht.
    »Ich kann Sie doch nicht so gehen lassen. Warum ruhen Sie sich denn nicht eine Sekunde aus? Wir werden alles in Ordnung bringen, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen …«
    Keine Sorgen! Tim schüttelte nur den Kopf und drückte die Klinke.
    »Ich bringe Sie hoch. Ich lasse nicht zu, daß Sie in diesem Zustand …«
    »Ich geh' allein«, sagte Tim. »Und vielen Dank, Herr Bonet!«
    Tief, so tief in ihr ist noch eine Empfindung von dunkel und hell, Licht, das vorübertreibt, Schatten … wieder Schatten. Und dann hell: fliegendes, vorbei huschendes Licht.
    Ja, fliegen, schweben, so herrlich flaumleicht …
    Doch nun kriecht die Schwere durch sie, will den Atem abwürgen, lastet wie Stein. Nun kein Schweben mehr, kein Fliegen. Nun wird sie geschleudert, raketenschnell, begleitet von dunklem Rauschen, das sich zu einem sir renden, grellen Pfeifen steigert. Es breitet sich aus, nimmt Besitz, nimmt alles. Sie stöhnt. Sie will nicht stürzen, sie schreit, sie hört es nicht. Sie öffnet die Lider … Auch davon weiß Melissa nichts, denn da ist nichts, was das Gehirn registrieren will. Nur einmal ein blaues, kalkiges Licht, in dem ein schwarzer Schatten steht, steil aufgerichtet, brutal wie ein Fels.
    Dann wieder die Lichter, die sich endlos drehen.
    Fliegen, stürzen – kein Ende … Oder doch …?
    Es war das zweite Mal in dieser Nacht, daß Tim den Schlüssel in das Schloß der Suite Nummer 206 steckte. Er ließ sich Zeit. Die brennende Hoffnung, die er zuvor gespürt hatte, als das Schloß sich drehte, war aschenbitterer Resignation und Verzweiflung gewichen.
    Er schob die Tür auf und drückte den Hauptschalter. Der funkelnde Kristallüster goß sein erbarmungsloses, kaltes, klares Licht über den Salon.
    Tim blieb im Vorraum stehen. Er sah die blauen Sessel, den niederen Rauchtisch, in der Ecke die Bar, in der anderen, in einen hübschen andalusischen Schrank eingelassen, den Fernsehapparat. Rechts von ihm die Garderobe mit Melissas zitronengelbem Sommermantel, das Innenfutter schwarz.
    Er strich darüber, ohne sich klar zu werden, was er tat.
    Melissa!
    Manchmal hatte er den Namen vor sich hingesprochen oder auch geflüstert, nun dachte er ihn nur noch. Er dachte ihn unablässig, seit der Alptraum begonnen hatte, so wie man betet, nein, eine Beschwörungsformel murmelt: »Melissa!«
    Seine Augen machten Inventur, durchforschten den großen, fremden, luxuriösen Raum, als könnten sie etwas ungemein Wichtiges entdecken. Auf dem Holz des Barschranks funkelte braun- und goldgeprägtes Leder: Melissas Abendtäschchen … Wieso eigentlich lag es dort?! Unser Spiel im Pavillon! Und der Champagner steht noch immer da oben … Zum Teufel mit dem Champagner! Zum Teufel mit dir selbst, du Idiot, mit deinen Einfällen. Ja, der Champagner stand dort oben, und die Liegestühle warteten, und es roch nach Geißblatt und wildem Lavendel, als er zum ersten Mal »Melissa« geflüstert hatte!
    Er schloß die Augen und legte die Hand auf die Schwellung an seiner rechten Seite, ohne sich des Schmerzes richtig bewußt zu werden. Wie war das? Denk nach, bau's dir wieder zusammen. Herrgott noch mal! Du warst es doch, der diese Superinszenierung erfunden hat. Und du warst es auch, der sagte: »Zieh dir das Kleid an!« Aber sie wollte nicht. Klar doch: Das Kleid war für den Hochzeitstag bestimmt. Umgekehrt wäre es ihr absolut zuzutrauen, daß sie es doch angezogen hätte und sich deshalb die Abendtasche herauslegte. Es wäre sogar typisch Melissa: Zuerst abzulehnen und dich dann mit der Erfüllung eines Wunsches zu überraschen …
    »Ich will mich noch ein bißchen hübsch machen.« Hatte sie das nicht gesagt?
    Was hieß ›hübsch machen‹ …? Es

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